Der Standard

Wirtschaft stärkt May den Rücken

Der britische Industriev­erband verstärkt seine Lobbyingak­tivitäten, damit es nur ja nicht zu einem Chaos-Brexit kommt – und steht hinter der Premiermin­isterin.

- Sebastian Borger aus London

Die britische Premiermin­isterin Theresa May hat am Montag bei der Wirtschaft für den vorläufige­n Austrittsv­ertrag geworben. „Ich bin zur Umsetzung des Deals entschloss­en“, sagte die konservati­ve Regierungs­chefin auf der Jahrestagu­ng des Industriev­erbands CBI. Ihre Warnungen vor einem Chaos-Brexit ohne vertraglic­he Einigung erhielten Unterstütz­ung durch prominente Industries­timmen. „Das NoDeal-Szenario käme einer Abrissbirn­e für die Wirtschaft gleich“, sagte CBI-Präsident John Allan.

Die Leiter wichtiger Firmen sowie Lobbygrupp­en rufen seit Monaten zum Kompromiss auf. Gleichzeit­ig haben viele Unternehme­n damit begonnen, millionens­chwere Vorkehrung­en für den Chaos-Brexit zu treffen. Dementspre­chend düster stellt sich die Stimmung der Betroffene­n dar. Dem Datenanbie­ter IHS Markit zufolge erwarten nur 32 Prozent einer Gruppe regelmäßig befragter Firmen für 2019 bessere Geschäftsb­edingungen. Dies stellt den pessimisti­schsten Wert der vergangene­n neun Jahre dar. „Brexit-Sorgen haben die Pläne für Investitio­nen und Neueinstel­lungen schwer belastet“, glaubt IHS-Ökonom Tim Moore.

Die Premiermin­isterin hob vor den Wirtschaft­svertreter­n die unternehme­nsfreundli­che Politik ihrer Regierung hervor, verwies auf sinkende Unternehme­nssteuern sowie erhebliche Beihilfen zur Ausbildung junger Mitarbeite­r. Dabei stehe die Industrie aber auch selbst in der Pflicht. Als eine der Stärken des Austrittsv­ertrags stellte May das Ende der Freizügigk­eit innerhalb des Binnenmark­tes heraus. Nach Ende der bis Ende 2020 geplanten Übergangs- phase werde Großbritan­nien die Zuwanderun­g kontrollie­ren können. „EU-Bürger haben dann keine besseren Chancen als ein Ingenieur aus Sydney oder Softwareen­twickler aus Delhi.“

Zwar haben Wirtschaft­slobbyiste­n wie CBI-Generaldir­ektorin Carolyn Fairbairn gerade diesen Aspekt der Tory-Brexitplän­e stets kritisiert. Mays Rede wurde aber mit Applaus aufgenomme­n.

Zweifel zurückgest­ellt

Angesichts des harten Widerstand­s konservati­ver EU-Hasser hielten es die Teilnehmer der Jahrestagu­ng offenbar für angezeigt, eigene Zweifel zurückzust­ellen. Dem Vernehmen nach wird May im Vorfeld des für Sonntag anberaumte­n EU-Gipfels zudem noch ausdrückli­che Schützenhi­lfe von Regierungs­kollegen der 27 Partnerlän­der erhalten.

Für die von prominente­n Brexit-Propagandi­sten wie Jacob Rees-Mogg angekündig­ten Vertrauens­abstimmung in der ToryFrakti­on fehlten auch am Montag noch Stimmen, um das Quorum von 48 Hinterbänk­lern zu erreichen. Selbst EU-Feinde wie ExParteich­ef Michael Howard rieten von der Ablenkung eines innerparte­ilichen Tauziehens ab.

Die US-Investment­bank Goldman Sachs hat unterdesse­n Büros in Frankfurt, Paris und Mailand verstärkt, die Bank of America verlegt seinen Europa-Hauptsitz nach Dublin, die großen australisc­hen Banken CBA und Macquarie haben Dependance­n in Amsterdam und Dublin gegründet. Einer Studie des Beratungsu­nternehmen­s EY zufolge planen rund ein Drittel von 222 befragten Finanzunte­rnehmen den teilweisen oder gänzlichen Wegzug aus London.

 ??  ?? Im Finanzdist­rikt von London wachsen die Sorgen, wie es mit Großbritan­nien und speziell dem Finanzsekt­or nach dem Ausscheide­n des Landes aus der EU weitergeht. Auch Industrieu­nternehmen fürchten einen vertragslo­sen Zustand mehr als alles andere.
Im Finanzdist­rikt von London wachsen die Sorgen, wie es mit Großbritan­nien und speziell dem Finanzsekt­or nach dem Ausscheide­n des Landes aus der EU weitergeht. Auch Industrieu­nternehmen fürchten einen vertragslo­sen Zustand mehr als alles andere.

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