„Österreich will das durchdrücken“
Die einzige Abgeordnete der Piratenpartei im EU-Parlament, Julia Reda, kritisiert Österreichs Ratspräsidentschaft für deren Rolle bei den Verhandlungen zur EU-Urheberrechtsreform äußerst scharf.
INTERVIEW:
Mit der EU-Urheberrechtsreform soll das Copyright modernisiert werden. Artikel 11 sieht ein Leistungsschutzrecht, auch „Link-Steuer“genannt, vor. Demnach dürften Aggregatoren – etwa Google News – keine Titel und Anreißertexte von Medien anzeigen. Artikel 13 soll die illegale Weiterverbreitung urheberrechtlich geschützter Materialien verhindern – noch vor dem „Upload“. Trotz massiver Kritik von Netzaktivisten stimmte das EU-Parlament in erster Lesung für die Richtlinie, die nun im Trilog verhandelt wird.
Wie ist der aktuelle Stand der Urheberrechtsverhandlungen im EU-Parlament? Reda: Es gibt im Wesentlichen drei große Kontroversen: das Leistungsschutzrecht für Presseverleger, die Uploadfilter und das Urhebervertragsrecht. Die Unterschiede zwischen Parlament und Europäischem Rat sind beim Urhebervertragsrecht am größten, da hat nämlich das Parlament im Gegensatz zum Rat wirklich relativ starke Verbesserungen für die eigentlichen Urheber erreicht, zum Beispiel dass sie ein Recht auf faire Bezahlung in Verhandlungen mit Verlagen haben.
Wie sehen Sie das? Reda: Ich persönlich halte das für einen Fehler. Ich glaube, dass am Ende Leistungsschutzrecht und Uploadfilter auch den Kreativen schaden werden. Bei den Verhandlungen im Trilog ist es nun aber so, dass Österreichs Ratspräsidentschaft gleich im ersten Meeting faire Vergütung für Urheber pauschal ablehnte. Wenn das Parlament weiter darauf bestehe, könne das den gesamten Verhandlungsprozess lahmlegen, hieß es.
Warum intervenierte Österreichs Regierung da so stark? Reda: Man sagte, faire Vergütung sei nicht vorgesehen gewesen im Kommissionsentwurf, das sei nicht wirtschaftlich analysiert worden. Man hätte keine Zeit, sich neuen Themen zu widmen. Man müsse alles schnell abschließen. Der Urheberschutz ist in Österreich aber schwach. Frankreich oder Deutschland haben da stärkere Regelungen parat. Ich habe das Gefühl, Österreich hat so getan, als würde es im Namen aller Mitgliedsstaaten sprechen, tat das aber hauptsächlich für sich.
Was ist problematisch daran, wenn das noch schnell vor Ende der Ratspräsidentschaft so forciert wird? Reda: Die Rechtssicherheit bleibt auf der Strecke. Ein so komplexes Gesetz, das über Jahre im Rat und Parlament diskutiert wurde, jetzt im Schnelldurchlauf binnen weniger Monate zu einem Kompromiss zu bringen ist gefährlich. Auch ist der neue Kompromissvorschlag des Rats zu den Uploadfiltern kein Kompromiss zwischen Befürwortern und Kritikern, sondern einfach nur eine Wiederholung der Ratsposition.
Wie reagierte die Kommission darauf? Reda: Die Kommission entwickelte einen Kompromissvorschlag, der formal den Artikel zu fairer Vergütung noch enthält, sie strich nur alles, was an der Vergütung bislang fair war – ein Verbot von TotalBuyout-Verträgen zum Beispiel oder ein Recht auf proportionale Vergütung. Auch sogenannte „Royalties“waren festgeschrieben – damit der Urheber mehr bezahlt bekommt, wenn mit seinem Produkt mehr verdient wird. All das hat die Kommission aufgeweicht oder komplett gestrichen. Das, was wir eigentlich erreichen wollten, ist komplett weg.
Wie reagiert das Parlament darauf? Reda: Na ja, unser Berichterstatter im Parlament, Herr Axel Voss von der EVP-Fraktion, ist damit eigentlich recht zufrieden. Im Prinzip haben die Urheberrechtsartikel der Richtlinie zur Mehrheit im Parlament verholfen, und jetzt, wo sie die Mehrheit im Parlament zusammenbekommen haben, werden alle Verbesserungen für die Urheber wieder gestrichen.
Aber das kann sich das Parlament in der zweiten Lesung wohl kaum gefallen lassen? Reda: Ich glaube, Herr Voss spekuliert darauf, dass sich die Abgeordneten letzten Endes doch nicht trauen, die gesamte Richtlinie fallenzulassen. Vielleicht reiche so manchen schließlich eine Absichtserklärung, die Urheber künftig besser zu schützen. Nur glaube ich, dass es ganz gefährlich ist, jetzt zu sagen, die Urheber hätten ihre Schuldigkeit getan.
Was spricht dagegen, die Abstimmungen in die nächste Legislaturperiode mitzunehmen? Reda: Nichts. Aber Österreichs Ratspräsidentschaft will dieses schwierige Thema offenbar durchdrücken und als Prestigeerfolg verkaufen. Auch die Kommission will, dass es schnell geht, weil man nicht weiß, wie es um die zukünftigen Mehrheiten im Parlament steht. Alle Seiten wären gut beraten, sich ein wenig Zeit zu nehmen und einen tragbaren Kompromiss zu finden.
Wie steht es um den Uploadfilter? Reda: Da regt sich immer deutlicherer Widerstand, nicht nur im Netz, auch Italiens neue Regierung ist nun dagegen. Insofern ist das alles noch keine ausgemachte Sache. Es war ein strategischer Fehler der Sozialdemokraten, da zuzustimmen, in der Hoffnung, dass am Ende die guten Teile der Richtlinie schon übrigbleiben werden. Auch die Panoramafreiheit war anfänglich ein wichtiges Ziel, damit Fotos von öffentlichem Raum keiner Urheberrechtsverletzung gleichkommen. Aber im Prinzip gibt es so, wie es aktuell aussieht, für die Internetnutzer überhaupt keine wesentlichen Verbesserungen mehr. Neue Elemente wie das Sportveranstalterrecht haben ganz im Gegenteil sogar eine direkte negative Auswirkung auf die Bürger. Da kann es zu Copyright-Klagen kommen.
JULIA REDA (32) sitzt seit 2014 für die deutschen Piraten im EU-Parlament und macht sich dort für Internet-User stark.