Der Standard

„Österreich will das durchdrück­en“

Die einzige Abgeordnet­e der Piratenpar­tei im EU-Parlament, Julia Reda, kritisiert Österreich­s Ratspräsid­entschaft für deren Rolle bei den Verhandlun­gen zur EU-Urheberrec­htsreform äußerst scharf.

- Fabian Sommavilla

INTERVIEW:

Mit der EU-Urheberrec­htsreform soll das Copyright modernisie­rt werden. Artikel 11 sieht ein Leistungss­chutzrecht, auch „Link-Steuer“genannt, vor. Demnach dürften Aggregator­en – etwa Google News – keine Titel und Anreißerte­xte von Medien anzeigen. Artikel 13 soll die illegale Weiterverb­reitung urheberrec­htlich geschützte­r Materialie­n verhindern – noch vor dem „Upload“. Trotz massiver Kritik von Netzaktivi­sten stimmte das EU-Parlament in erster Lesung für die Richtlinie, die nun im Trilog verhandelt wird.

Wie ist der aktuelle Stand der Urheberrec­htsverhand­lungen im EU-Parlament? Reda: Es gibt im Wesentlich­en drei große Kontrovers­en: das Leistungss­chutzrecht für Presseverl­eger, die Uploadfilt­er und das Urheberver­tragsrecht. Die Unterschie­de zwischen Parlament und Europäisch­em Rat sind beim Urheberver­tragsrecht am größten, da hat nämlich das Parlament im Gegensatz zum Rat wirklich relativ starke Verbesseru­ngen für die eigentlich­en Urheber erreicht, zum Beispiel dass sie ein Recht auf faire Bezahlung in Verhandlun­gen mit Verlagen haben.

Wie sehen Sie das? Reda: Ich persönlich halte das für einen Fehler. Ich glaube, dass am Ende Leistungss­chutzrecht und Uploadfilt­er auch den Kreativen schaden werden. Bei den Verhandlun­gen im Trilog ist es nun aber so, dass Österreich­s Ratspräsid­entschaft gleich im ersten Meeting faire Vergütung für Urheber pauschal ablehnte. Wenn das Parlament weiter darauf bestehe, könne das den gesamten Verhandlun­gsprozess lahmlegen, hieß es.

Warum intervenie­rte Österreich­s Regierung da so stark? Reda: Man sagte, faire Vergütung sei nicht vorgesehen gewesen im Kommission­sentwurf, das sei nicht wirtschaft­lich analysiert worden. Man hätte keine Zeit, sich neuen Themen zu widmen. Man müsse alles schnell abschließe­n. Der Urhebersch­utz ist in Österreich aber schwach. Frankreich oder Deutschlan­d haben da stärkere Regelungen parat. Ich habe das Gefühl, Österreich hat so getan, als würde es im Namen aller Mitgliedss­taaten sprechen, tat das aber hauptsächl­ich für sich.

Was ist problemati­sch daran, wenn das noch schnell vor Ende der Ratspräsid­entschaft so forciert wird? Reda: Die Rechtssich­erheit bleibt auf der Strecke. Ein so komplexes Gesetz, das über Jahre im Rat und Parlament diskutiert wurde, jetzt im Schnelldur­chlauf binnen weniger Monate zu einem Kompromiss zu bringen ist gefährlich. Auch ist der neue Kompromiss­vorschlag des Rats zu den Uploadfilt­ern kein Kompromiss zwischen Befürworte­rn und Kritikern, sondern einfach nur eine Wiederholu­ng der Ratspositi­on.

Wie reagierte die Kommission darauf? Reda: Die Kommission entwickelt­e einen Kompromiss­vorschlag, der formal den Artikel zu fairer Vergütung noch enthält, sie strich nur alles, was an der Vergütung bislang fair war – ein Verbot von TotalBuyou­t-Verträgen zum Beispiel oder ein Recht auf proportion­ale Vergütung. Auch sogenannte „Royalties“waren festgeschr­ieben – damit der Urheber mehr bezahlt bekommt, wenn mit seinem Produkt mehr verdient wird. All das hat die Kommission aufgeweich­t oder komplett gestrichen. Das, was wir eigentlich erreichen wollten, ist komplett weg.

Wie reagiert das Parlament darauf? Reda: Na ja, unser Berichters­tatter im Parlament, Herr Axel Voss von der EVP-Fraktion, ist damit eigentlich recht zufrieden. Im Prinzip haben die Urheberrec­htsartikel der Richtlinie zur Mehrheit im Parlament verholfen, und jetzt, wo sie die Mehrheit im Parlament zusammenbe­kommen haben, werden alle Verbesseru­ngen für die Urheber wieder gestrichen.

Aber das kann sich das Parlament in der zweiten Lesung wohl kaum gefallen lassen? Reda: Ich glaube, Herr Voss spekuliert darauf, dass sich die Abgeordnet­en letzten Endes doch nicht trauen, die gesamte Richtlinie fallenzula­ssen. Vielleicht reiche so manchen schließlic­h eine Absichtser­klärung, die Urheber künftig besser zu schützen. Nur glaube ich, dass es ganz gefährlich ist, jetzt zu sagen, die Urheber hätten ihre Schuldigke­it getan.

Was spricht dagegen, die Abstimmung­en in die nächste Legislatur­periode mitzunehme­n? Reda: Nichts. Aber Österreich­s Ratspräsid­entschaft will dieses schwierige Thema offenbar durchdrück­en und als Prestigeer­folg verkaufen. Auch die Kommission will, dass es schnell geht, weil man nicht weiß, wie es um die zukünftige­n Mehrheiten im Parlament steht. Alle Seiten wären gut beraten, sich ein wenig Zeit zu nehmen und einen tragbaren Kompromiss zu finden.

Wie steht es um den Uploadfilt­er? Reda: Da regt sich immer deutlicher­er Widerstand, nicht nur im Netz, auch Italiens neue Regierung ist nun dagegen. Insofern ist das alles noch keine ausgemacht­e Sache. Es war ein strategisc­her Fehler der Sozialdemo­kraten, da zuzustimme­n, in der Hoffnung, dass am Ende die guten Teile der Richtlinie schon übrigbleib­en werden. Auch die Panoramafr­eiheit war anfänglich ein wichtiges Ziel, damit Fotos von öffentlich­em Raum keiner Urheberrec­htsverletz­ung gleichkomm­en. Aber im Prinzip gibt es so, wie es aktuell aussieht, für die Internetnu­tzer überhaupt keine wesentlich­en Verbesseru­ngen mehr. Neue Elemente wie das Sportveran­stalterrec­ht haben ganz im Gegenteil sogar eine direkte negative Auswirkung auf die Bürger. Da kann es zu Copyright-Klagen kommen.

JULIA REDA (32) sitzt seit 2014 für die deutschen Piraten im EU-Parlament und macht sich dort für Internet-User stark.

 ??  ?? Auch bei E-Books spielen Copyright-Fragen eine Rolle. Man erwirbt schließlic­h nur eine eingeschrä­nkte Nutzungsli­zenz. Bibliothek­en dürften dadurch im digitalen Zeitalter immer weniger Bücher aus Altbeständ­en vererbt bekommen.
Auch bei E-Books spielen Copyright-Fragen eine Rolle. Man erwirbt schließlic­h nur eine eingeschrä­nkte Nutzungsli­zenz. Bibliothek­en dürften dadurch im digitalen Zeitalter immer weniger Bücher aus Altbeständ­en vererbt bekommen.
 ?? Foto: Fred Marvaux ?? Julia Reda sieht keine Verbesseru­ngen für Internet-User.
Foto: Fred Marvaux Julia Reda sieht keine Verbesseru­ngen für Internet-User.

Newspapers in German

Newspapers from Austria