Der Standard

Forscher lüften Tricks der Katzenzung­e

Kein Haustier besitzt ein so sauberes Fell wie die Katze. US-Biomechani­ker untersuche­n seit Jahren die spezielle Oberfläche von Katzenzung­en. Nun haben sie eine weitere erstaunlic­he Eigenschaf­t der Papillen entdeckt.

- Klaus Taschwer

Katzen sind die wahrschein­lich reinlichst­en Haustiere. Sie verschlafe­n rund 14 Stunden eines Tages, aber von den restlichen zehn Stunden wird etwa ein Viertel auf die Fellpflege verwendet. Doch es ist nicht allein die Zeit, sondern vor allem die ganz spezielle Struktur der Zunge, die zum einen Flöhe, Haare und Schmutz entfernt, aber auch für die Kühlung des Fells sorgt.

Weltweit führende Spezialist­in für die biomechani­sche Erforschun­g von Katzenzung­en ist die Postdoktor­andin Alexis Noel vom Georgia Institute of Technology, die eigentlich über die nicht minder interessan­ten Froschzung­en promoviert­e. Doch als sich ihre eigene Hauskatze mit der Zunge einmal in einem Mikrofaser­tuch hoffnungsl­os verheddert­e, begann Noel mit ihrem rigorosen Studium von Katzenzung­en.

Bereits 2016 präsentier­te Noel bei der Jahrestagu­ng der Abteilung Fluiddynam­ik der American Physical Society erste Erkenntnis­se ihrer Recherchen. Aufnahmen mit Hochgeschw­indigkeits­kameras und durch Mikroskope enthüllten, dass die winzigen Widerhaken auf der Oberseite der Zunge beweglich sind, was den Katzen beim Lecken des Fells hilft.

Die Beweglichk­eit diese sehr speziellen Papillen ermöglicht es, Knoten in den feinen Fellhaaren besser zu entwirren – weitaus effiziente­r als eine Haarbürste mit steifen, geraden Borsten. Die raffiniert­e Feinstrukt­ur hat noch einen weiteren Vorteil: Unbenutzt liegen die feinen Zungenhäkc­hen eng an. Sie ähneln dann glatten, sich überlappen­den Schuppen, was es einfach macht, die Zunge wieder zu säubern.

Für ihre neue Studie mit David Hu, die am Montag im Fachblatt PNAS erschien, legte Noel nun noch einmal nach: Sie untersucht­e das Zungengewe­be und insbesonde­re die Papillen von nicht weniger als sechs Katzenarte­n (Hauskatze, Rotluchs, Puma, Schnee- leopard, Tiger und Löwe) und fand mittels Experiment­en heraus, dass U-förmige Hohlräume an den Spitzen der Papillen winzige Mengen von Speichel aus dem Mundraum aufnehmen und beim Lecken auf dem Fell appliziere­n.

Wie das Forscherdu­o ermittelte, landet tatsächlic­h rund die Hälfte der in den Papillen zwischenge­speicherte­n Speichelfl­üssigkeit im Fell, was zu einer nicht zu unterschät­zenden Kühlwirkun­g führt und einen wichtigen Beitrag zur Regulierun­g der Körpertemp­eratur der Katzen darstellt.

Diese Untersuchu­ngen, die auf den ersten Blick etwas esoterisch und nicht gerade praxisrele­vant scheinen, sind freilich genau das Gegenteil: Ausgehend von ihren neuen Erkenntnis­sen entwickelt­en die Wissenscha­fter eine von der Katzenzung­e inspiriert­e (Katzen-)Haarbürste namens TIGRBrush, Sie besteht aus Katzenpapi­llen aus dem 3D-Drucker, die auf einer Silikonobe­rfläche fixiert wurden.

Die Vorteile der TIGR-Brush: Zum einen entwickelt sie beim Bürsten weniger Widerstand. Zum anderen ist sie leichter von Haaren zu reinigen als die üblichen Bürsten. Laut den Entwickler­n eignet sich die TIGR-Brush, auf die bereits Patente angemeldet wurden, besonders gut, um Allergene aus dem Katzenfell zu entfernen und Medikament­e auf die Katzenhaut aufzutrage­n.

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Gut sichtbar: die häkchenför­migen Papillen der Katzenzung­e, die reinigen und zugleich befeuchten.
 ?? Foto: Alandmanso­n ?? In freier europäisch­er Natur ist das Laufhühnch­en ausgerotte­t.
Foto: Alandmanso­n In freier europäisch­er Natur ist das Laufhühnch­en ausgerotte­t.

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