Wer macht effektive Oppositionspolitik?
Die deutschen Grünen fahren ihre beachtlichen Erfolge ein, weil sie sich konsequent als die Alternative zur rechten AfD geben. Die jüngere, gebildetere, weltoffenere Schicht, die sie vertreten, ist außerdem rein demografisch größer geworden. Es gibt einfach mehr Akademiker als früher, und die fühlen sich zum Teil bei den bürgerlicher gewordenen Grünen mehr zu Hause. Aber unter dem Strich gibt die klare Haltung der deutschen Grünen gegen Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Nationalismus den Ausschlag. umindest ist dies das Erklärmodell deutscher Experten zur Tatsache, dass die Grünen etwa in Bayern mit 17,6 Prozent zur zweitstärksten Partei wurden. Es gibt offenbar genügend bürgerliche Bayern, denen der Seehofer/Kurz/Orbán/Salvini-Schulterschluss in Sache Migration einfach zu arg wurde.
Die österreichischen Grünen sind bekanntlich aus dem Parlament geflogen und konnten auch bei Landtagswahlen nicht an frühere Erfolge anschließen. Einen Hinweis gibt aber der grüne oberösterreichische Landesrat für Integration, Rudi Anschober, der mit seiner „Allianz für Menschlichkeit und Vernunft“bereits über 50.000 Menschen gefunden hat, die gegen die Abschiebung von gut integrierten Lehrlingen mit Asylstatus unterschrieben haben. Menschlichkeit und pragmatische Vernunft in der Migrationsfrage – damit kann man anscheinend auch im schwarz-blauen Oberösterreich bürgerliche Menschen anziehen. Oder in Vorarlberg, wo gestandene Bürgerliche
ZSebastian Kurz unangenehme Minuten bereitet haben.
Unter Kurz hat die ÖVP die Mitte in der Migrationsfrage weitgehend aufgegeben. Das schafft Platz für eine Kombination aus Humanität und praktischer Vernunft.
Die Neos stellen im Moment die einzig wahrnehmbare Opposition dar. Beate Meinl-Reisinger hat denselben Energielevel wie der ausgeschiedene Matthias Strolz, aber eindeutig mehr praktische Bodenhaftung. Mit Stephanie Krisper haben die Neos ein engagiertes Mitglied des BVT-Untersuchungsausschusses. Sie weiß, wie man die richtigen Fragen stellt, und trägt dazu bei, dass die Neos den guten Kampf gegen das Einsickern der illiberalen Demokratie in diesem Land führen können. Das ist in Zeiten wie diesen, wo der Hauptredner bei einem rechtsextremen Kongress („Verteidiger Europas“) Innenminister geworden ist und Neonazis ins Parlament gelangen, immens wichtig.
Klarer müssen die Neos noch bei ihren wirtschaftspolitischen Vorstellungen werden. Vieles daran klingt manchen Wählern zu radikal neoliberal. an wird ab diesem Samstag sehen, ob die SPÖ zu einer kraftvollen Oppositionspolitik findet. Pamela Rendi-Wagner habe sich absichtlich zurückgehalten, weil sie ja nur designierte Parteiobfrau war, ist zu hören. Angesichts der täglichen Angriffspunkte, die die Regierung bietet, war das wahrscheinlich ein Fehler.
Eine entschlossene, klare liberale Opposition ist im rechts / rechts außen regierten Österreich unabdingbar, da es dieser Regierung an jeder Liberalität fehlt. Die liberale Demokratie braucht effektive Verteidiger. hans.rauscher@derStandard.at
M