„Als ob man Musik zu drei Filmen schreiben würde!“
Zur 200-Jahr-Feier des bekanntesten Weihnachtsliedes der Welt hat das Salzburger Landestheater ein Musical in Auftrag gegeben: „Meine Stille Nacht“erzählt von weihnachtlichen Liebesturbulenzen.
Bald ist es wieder so weit: Auf der ganzen Welt wird sie wieder besungen werden, die stille und heilige Nacht, mit den Worten von Joseph Mohr und den Klängen von Franz Xaver Gruber. Zu Heiligabend 1818 wurde deren Lied in Oberndorf bei Salzburg erstmals aufgeführt, und dieses Jubiläum hat man in Salzburg als Chance erkannt, die Verbindung der globalen Marke Stille Nacht, heilige Nacht mit dem Land Salzburg herauszustreichen.
Zum Thema „global“passt es gut, dass Carl Philip von Maldeghem, der Intendant des Salzburger Landestheaters, bei einem sommerlichen Verwandtschaftsbesuch in Los Angeles die Idee hatte, zur Markenpflege ein Musical in Auftrag zu geben, und zwar bei John Debney. Debney ist einer der schaffenskräftigsten Filmmusikkomponisten in Hollywood – seine Filmografie hat tatsächlich kaum weniger Einträge als das Wiener Telefonbuch.
Kassenschlager wie The Jungle Book, Ice Age und The Greatest Showman wurden von dem dreifachen Emmy-Preisträger musikalisch untermalt. Seine Musik zu Mel Gibsons The Passion of Christ war für einen Oscar nominiert. Auf dem Gelände der Warner Studios gibt es ein eigenes Debney Building, in dem der gebürtige Kalifornier arbeitet.
Wie reagiert eine Hollywoodinstitution, wenn sie das Angebot bekommt, für ein Salzburger Theater ein Musical über ein Weihnachtslied zu schreiben? Sein erster Gedanke sei „Oh my god“gewesen, gibt John Debney im Gespräch mit dem zu. Er habe zwar Musik für sehr, sehr viele Filme gemacht, aber noch nie ein Musical geschrieben: „Ich war aufgeregt!“
War es trotz aller Aufregung entspannter, ein Musical zu schreiben, als für die hektische Blockbusterbranche in Hollywood zu arbeiten? Kann man da kreativer sein? Letzteres auf jeden Fall, meint Debney. Aber: Die Arbeit an dem Musical sei echt hart gewesen. Man müsse immer wieder Passagen umschreiben, einige Songs würden es nicht in die Endfassung schaffen. „Es ist, als ob man Musik zu drei Filmen auf einmal schreiben würde.“
Die Autorin als Kraftwerk
Dass Debney nicht nur sehr viel, sondern auch sehr vielfältige Musik zu schreiben hatte, hat mit Hannah Friedman zu tun. Die versierte Autorin hatte nämlich anderes im Sinn, als einfach die Entstehungsgeschichte von Stille Nacht, heilige Nacht nachzuerzählen. „Hannah hat nicht versucht, konventionelle Erwartungen zu erfüllen“, erklärt Andreas Gergen, der das Musical in der Felsenreitschule inszenieren wird. Stattdessen soll es um den „Spirit“des Liedes gehen, um die Friedensbotschaft des Miteinanders von Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichen Weltanschauungen.
Bei der Präsentation des Musicalprojekts im Mai 2017 soll es in Salzburg einige skeptische Stimmen gegeben haben, und diese Skepsis ist auch in das Textbuch miteingeflossen: Spannungen zwischen traditionsbewussten und innovativen Kräften werden hier zentral thematisiert. Ist Salzburg ein besonders konservativer Ort? „Konservative Kräfte gibt es überall“, meint Gergen, der hier in Salzburg übrigens sechs Jahre lang als Operndirektor gearbeitet hat. Und auch Debney betont, dass es in Salzburg beides gebe, bewahrende und progressive Menschen. „Und alle kommen im Musical vor.“
Debney preist Autorin Friedman mit Engelszungen, lobt ihren Sinn für das richtige Erzähltempo, ihren Humor wie auch ihre Kreativität: „Diese Frau ist ein Kraftwerk“, schwärmt der 62-Jährige, „ich bin so glücklich, dass wir sie als Autorin gewinnen konnten.“Im Team der Autoren für die Liedtexte mit dabei sind auch noch Michael Weiner, Alan Zachary und Siedah Garrett.
Dass Letztere Texte für RapSongs beigesteuert hat, wertet Andreas Gergen als „sensationell“– schließlich hat Garrett schon für Michael Jackson einst den Song Man In The Mirror geschrieben.
Es sei in den USA beim Musical selbstverständlich, neue Musikstile zu integrieren, erzählt Gergen und verweist auf das vielfach prämierte Musical Hamilton, das von Hip-Hop geprägt ist. Im Score von Debney ist neben dem Rap auch noch Platz für diverse ande- re Musikstile: Wiener Walzer trifft auf Weltmusik trifft auf Western Hoedown. „Wir stehen alle miteinander in Verbindung“, erklärt Debney die Intention dahinter, „wir sind eine Welt.“
Mozarts Orchester spielt
Debney hat die musikalische Einstudierung seines Werks vor Ort zusammen mit Robin Davis vorgenommen. Wie empfindet der Mann aus den USA denn die Probenbedingungen und den Einsatz der Künstler hier im alten Europa? Können wir mit dem Gelobten Land des Musicals mithalten? Das Mozarteumorchester sei superb, schwärmt Debney, und auf der Bühne würden nur richtige Kaliber performen: „Das hat hier Broadway-Niveau.“
Das Herz geht dem Mann aus dem sonnigen Kalifornien aber auch auf, wenn er das winterliche Salzburg erlebt. Nachdem sich Debney zusammen mit Friedman im vorigen Jahr im Sommer vor Ort Inspirationen für sein Musical gesucht hat, darf er nun die Mozartstadt bei durchaus markanten Minustemperaturen erleben.
Der Christkindlmarkt, leichter Schneefall, die Berge: Das sei für ihn natürlich ein Traum. „Hier ist es so, wie es zu Weihnachten sein soll.“Und still werden soll es mitten in der Nacht angeblich auch ganz kurz.