Vermögenszugriff bleibt auch bei reformierter Mindestsicherung
Mit einiger Verzögerung haben sich ÖVP und FPÖ auf die Reform der Mindestsicherung geeinigt. Beim Zugriff auf Vermögen von Kleinverdienern ließ der Kanzler die FPÖ abblitzen.
Wien – ÖVP und FPÖ haben am Dienstag die letzten Details bei der Reform der Mindestsicherung außer Streit gestellt. Am Mittwoch soll das Grundsatzgesetz, das die Länder dann umzusetzen haben, im Ministerrat beschlossen werden. Strittig war zuletzt noch die Frage des Vermögenszugriffes bei sogenannten Aufstockern, also bei Personen, deren Einkommen so gering ist, dass sie auf Mindestsicherung angewiesen sind.
Da diese Menschen zumindest eine Zeit lang ins Sozialversicherungssystem eingezahlt haben, wollte die FPÖ bei ihnen den Zugriff auf Immobilien streichen. Kanzler Sebastian Kurz ließ die Blauen laut Δtandard- Informationen aber abblitzen. (red)
Bei der Frage des Vermögenszugriffs blieb die ÖVP bis zum Schluss hart. Wer Mindestsicherung beziehen will, muss also auch in Zukunft Geldvermögen bis auf einen kleinen Freibetrag (derzeit 4200 bis 4300 Euro) verbrauchen sowie vorhandene Immobilien besichern lassen.
Die FPÖ wollte zuletzt, dass die Behörden bei sogenannten Aufstockern nicht mehr ins Grundbuch gehen können. Dabei handelt es sich um Menschen, die ein geringes Einkommen (Gehalt, Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe) haben, das aber nicht zum Überleben ausreicht. Dieses Einkommen können sie mit einer Teilleistung aus der Mindestsicherung aufstocken. Vor allem die VP-regierten Länder haben Druck auf die Beibehaltung des Vermögenszugriffs gemacht, weil sie fürchteten, dass ohne diesen die Zahl der Anträge steigen könnte. ÖVP-Chef Sebastian Kurz ließ deshalb die FPÖ abblitzen, wie dem AtEndErd bestätigt wurde.
Jedenfalls konnten nun die monatelangen Verhandlungen beendet werden. Die Koalition hat sich auf ein sogenanntes Grundsatzgesetz geeinigt, das heute, Mittwoch, im Ministerrat beschlossen wird. Es soll künftig wieder für halbwegs einheitliche Standards in ganz Österreich sorgen. Zur Erinnerung: Nach gescheiterten Verhandlungen lief der alte BundLänder-Vertrag 2016 aus.
Etwas Spielraum bleibt
Einen gewissen Spielraum werden die Länder aber auch in Zukunft haben. Der Bund definiert nur Maximalbeträge, die Länder könnten auch schlechtere Sätze festlegen. Rechtlich begibt man sich damit auf Neuland. Es ist nicht ganz klar, wie weitgehend die Vorgaben sein dürfen. Wien hat bereits mit dem Gang zum Verfassungsgerichtshof gedroht, sollte der Bund aus ihrer Sicht verfassungswidrige Bestimmungen vorgeben. Umgekehrt könnte der Bund ein Land beim VfGH klagen, wenn er der Meinung ist, dass es das Grundsatzgesetz nicht korrekt umgesetzt hat.
Viele Eckpunkte der Reform wurden bereits im Mai vereinbart. Voraussetzung für einen Bezug soll ein fünfjähriger Aufenthalt in Österreich sein. Die Höhe für Alleinstehende wird sich, wie bisher, an der Mindestpension orientieren (aktuell netto 863,04 Euro). Wer aber nicht ausreichend Deutsch (B1-Niveau) oder Englisch (C1-Niveau) spricht oder keinen Pflichtschulabschluss hat, soll eine um 300 Euro niedrigere Leistung erhalten. Das zielt vor allem auf Asylberechtigte ab, weshalb Experten eine mögliche mittelbare Diskriminierung orten.
Weniger für Familien
Weniger wird es in der Regel für Familien mit mehreren Kindern geben. Für das erste Kind sind 25 Prozent der Basisleistung vorgesehen, für das zweite nur noch 15 und für das dritte gar nur noch fünf Prozent. Die meisten Länder haben zwar schon jetzt degressive Modelle, aber nicht derart radikal, weshalb es auch gegen diesen Punkt verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Für Alleinerziehende ist hingegen ein zusätzlicher Bonus vorgesehen (maximal 100 Euro für das erste, 75 Euro für das zweite und 50 Euro für das dritte Kind).
In den westlichen Bundesländern wurde vor allem mit Spannung beobachtet, wie groß das Ermessen bei der Berechnung des Wohnbedarfs sein wird. Die Soziallandesräte von Tirol, Vorarlberg und Salzburg haben daher am Dienstag bereits dagegen protestiert, dass nun ein Gesetz ohne ihre vorherige Einbindung vorgelegt wird. Es handelt sich dabei aber um drei Grünen-Politiker, ihre Koalitionspartner, die schwarzen Landeshauptleute, hielten sich zunächst bedeckt.
Verbessern soll sich die Datenlage bei der Mindestsicherung, die bisher eher mau war. Die Regierung möchte künftig auch den Migrationshintergrund der Bezieher erheben und einen besseren Austausch zwischen Sozialbehörden und Arbeitsmarktservice erreichen. Noch nicht Teil des aktuellen Pakets ist die Reform der Notstandshilfe, die in einem neuen Arbeitslosengeld aufgehen soll. Sie wird erst im neuen Jahr präsentiert werden.