Asmaras modernistische Architektur
Als „Zeitkapsel des italienischen Dolce Vita“wird Eritreas Hauptstadt Asmara bezeichnet. Eine Innsbrucker Schau bricht nun mit dem Klischee.
Eritrea, der junge Staat am Horn von Afrika, ist vielen erst seit Kurzem als Herkunftsland von Bootsflüchtlingen ein Begriff, die dem brutalen diktaturähnlichen Militärregime entkommen wollen, das dort herrscht. Dass seine Hauptstadt Asmara eines der weltweit größten intakten Architekturensembles der Moderne beherbergt, ist nur unter Experten bekannt – auch weil es die politische Situation beträchtlich erschwert, vor Ort zu forschen.
Peter Volgger und Stefan Graf, Architekturwissenschafter der Universität Innsbruck, haben das allerdings trotzdem getan. Sie haben mehrere Jahre lang das Exempel einer modernistischen Stadtvision des Faschismus in aller Tiefe untersucht, das Asmara für die Kolonialmacht Italien in den 1930er-Jahren darstellte. Ihre Forschungsarbeit bildet die Grundlage für die Innsbrucker Ausstellung im aut. architektur und tirol.
Die damals in nur wenigen Jahren entstandenen Architekturikonen sind in der Tat faszinierend. „Architetti“und „Ingenieri“aus dem Mutterland tobten sich regelrecht aus und bauten futuristische Fabriksgebäude und Tankstellen, mondäne Kinos und Bars, rationalistische Villen und natürlich auch Boulevards.
Zuzug von Italien
Von Diktator Benito Mussolini als Basis für den Äthiopienkrieg in Stellung gebracht, boomte Asmara ab dem Jahre 1935 durch den Zuzug von Italienern. Und die Stadt zelebriert bis zum heutigen Tag das italienische Lebensgefühl. Zahlreiche großformatige Bilder der Architekturfotografen Paul Ott und Günter Richard Wett holen diese Atmosphäre hautnah in die Ausstellung. Sie wird ergänzt durch detailreiche Modelle, Videoarbeiten, Interviews und Publikationen. Der Titel der Ausstellung, Asma
ra – The Sleeping Beauty, bringt auf den Punkt, wie diese Stadt lange gesehen wurde: als schlafende Schönheit, die unangetastet Eritreas ganze 30 Jahre dauernden Unabhängigkeitskrieg überdauerte.
Die Kuratoren Volgger und Graf wollen diesen verklärten Mythos der „Italianità“nun gründlich aufbrechen. Sie nehmen den komplexen sozialpolitischen und kulturellen Kontext in den Blick und beschreiben das Phänomen Asmara als ambivalente Ganzheit. Auch werden andere Aspekte beleuchtet: die ideologische Instrumentalisierung, die strikte städtebauliche Segregation der ethnischen Bevölkerungsgruppen und aktuelle Migrationsphänomene.
Das Weltkulturerbe
Insbesondere zeigt das Kuratorenduo auf, wie die Bewohner sich das koloniale Erbe bis heute aneignen – ein Aspekt, der wohl auch ausschlaggebend dafür war, dass die Unesco Asmara im Vorjahr ins Weltkulturerbe aufgenommen hat. Was das allerdings bedeutet und ob dem kürzlich geschlossene Frieden mit Äthiopien zu trauen ist – das muss sich erst noch zeigen. „Asmara“-Ausstellung im aut. architektur und tirol noch bis 22. Dezember