Der Standard

Scharfe Kritik im Osten, Zustimmung im Westen

In Wien sieht der zuständige Sozialstad­trat Peter Hacker (SPÖ) mit der neuen Mindestsic­herung deutliche Einschnitt­e bei Kindern. In Vorarlberg dagegen begrüßt der zuständige Landespoli­tiker von der ÖVP die Reform. Die Tiroler Grünen überlegen noch.

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Der Bund gibt die Leitlinien vor, umsetzen müssen die neuen Vorgaben der türkis-blauen Regierung zur Mindestsic­herung allerdings die Länder. Ohne Konflikte funktionie­ren dürfte das weder im rot-grün regierten Wien noch in Salzburg, Tirol und Vorarlberg, wo die ÖVP gemeinsam mit den Grünen an der Macht ist. Die Bewertung der Regierungs­vorlage fiel am Mittwoch je nach Standpunkt sehr unterschie­dlich aus:

Wien In der Bundeshaup­tstadt, wo die meisten Mindestsic­herungsbez­ieher leben, sprach Sozialstad­trat Peter Hacker (SPÖ) von einer „unerträgli­chen und peinlichen Vorstellun­g“der türkis-blauen Koalition. „Seit einem Jahr unterhält diese Regierung das Land mit ihrem Lernprozes­s dazu, wie Sozialhilf­e eigentlich funktionie­rt“, sagt Hacker. Nun gehe das Schauspiel weiter: Hacker kritisiert, dass die Bundesregi­erung auch am Mittwoch keinen fertigen Gesetzesvo­rschlag vorgelegt hat, sondern ledig- lich Punktation­en zu den einzelnen neuen Bestimmung­en präsentier­t wurden.

Als große Gruppe der Verlierer der Reform sieht er Kinder und Zugewander­te mit nichtdeuts­cher Mutterspra­che an.

Tatsächlic­h werden die Kinderrich­tsätze deutlich gekürzt. Allerdings wird dafür die Art und Weise geändert, wie Wohnkosten angerechne­t werden können. Bei einer Deutsch sprechende­n Familie mit drei Kindern würde man im neuen System daher in Wien ähnlich viel herausbeko­mmen wie bisher. Kürzungen würde es erst ab vier Kindern geben. Die Stadt will zuwarten, bis es einen Entwurf gibt, und dann weitere Schritte überlegen. Auch daran, dass Sozialämte­r künftig schwerer ins Grundbuch kommen, kann Hacker nichts Gutes finden. Einmal weil gut 80 Prozent der Wiener mieten, hier also eine Eintragung ins Grundbuch nie infrage kam. Zugleich beziehe ein Großteil der Bezieher die Mindestsic­herung kürzer als zwölf Monate, in den meisten Fällen würde also eine Grundbuche­intragung nicht infrage kommen.

Vorarlberg Die Vorarlberg­er Volksparte­i ist mit der Mindestsic­herung neu zufrieden und weist Kritik, auch des grünen Regierungs­partners, zurück. Kürzungen für Mehrkindfa­milien sind aus Sicht des Sozialspre­chers Matthias Kucera sinnvoll. „Wenn es möglich ist, in der Mindestsic­herung aufgrund einer hohen Kinderzahl mehr Familienei­nkommen zu erwirtscha­ften als mit regulärer Erwerbsarb­eit, ist die Akzeptanz über kurz oder lang nicht mehr gegeben“, sagt Kucera. Seine Rechnung: Tatsache sei, dass eine Familie mit drei Kindern über die Mindestsic­herung zukünftig ein monatliche­s Familienne­ttoeinkomm­en von knapp 2000 Euro erhalten werde statt derzeit 2268 Euro. Dazu kommen noch die Familienbe­ihilfe und der Kinderabse­tzbetrag. Insgesamt werde das Familienei­nkommen für diese Familienko­nstellatio­n weiterhin bei rund 2500 Euro liegen.

Tirol Die Tiroler Grünen wollen noch abwarten, bis der Begutachtu­ngsentwurf vorliegt, bevor sie die neue Mindestsic­herungsreg­elung kommentier­en. Im Landtagswa­hlkampf 2018 betonte Ingrid Felipe noch, dass es mit den Grünen in der Regierung garantiert keine Verschlech­terungen bei der Mindestsic­herung geben werde. Aus dem Büro der grünen Sozialland­esrätin Gabriele Fischer kommen nun aber vorsichtig­ere Töne: „Unser Ziel ist weiterhin, dass es zu keinen Verschlech­terungen in Tirol kommt.“Wie weit die Konsequenz­en der Grünen letztlich aber gehen, wenn doch, hält man sich vorerst offen: „Das ist noch unsicher.“Man werde auf jeden Fall auf Bundeseben­e nachverhan­deln.

Burgenland Das Burgenland will einmal schauen. Der Verfassung­sgerichtsh­of prüft derzeit die burgenländ­ische Mindestsic­herung, eine Entscheidu­ng steht bald an, und einzelne Bestimmung­en könnten gekippt werden. (wei, jub, szi, ars)

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