Der Standard

Birgit Hebein im Interview

Birgit Hebein, die neue grüne Frontfrau in Wien, will die Koalition mit der SPÖ auch nach der Wahl 2020 fortsetzen. Die Ämter von Stadträtin Maria Vassilakou übernimmt sie erst im kommenden Jahr.

- INTERVIEW: David Krutzler

Standard: Grüne Frontfrau zu sein stand nie auf Ihrer „Lebensplan-To-do-Liste“, sagten Sie vor kurzem. Warum sind Sie es jetzt dennoch?

Hebein: Es stand wirklich nicht auf meiner Liste. Dort ist aber auch nicht gestanden, grüne Gemeinderä­tin zu werden. Ich habe von Anfang an einen großen Zuspruch bekommen und mich dann entschiede­n zu kandidiere­n. Ich finde die Öffnung der Partei wichtig. Es haben ja auch mehr Menschen von außerhalb der Partei mitgestimm­t.

Δtandard: Als Nächstes auf der To-do-Liste steht die Übergabe der Ämter von Maria Vassilakou. Wann werden Sie Vizebürger­meisterin und Verkehrsst­adträtin?

Hebein: Ich habe Maria Vassilakou am Mittwoch zum ersten Vieraugeng­espräch getroffen. Es war total angenehm und konstrukti­v, wie immer. Den Zeitpunkt der Übergabe werden wir gemeinsam beschließe­n. Heuer wird es nicht mehr passieren.

Standard: Wie gut können Sie mit Stadtchef Michael Ludwig?

Hebein: Bürgermeis­ter Ludwig hat mir bereits gratuliert. Ich habe bei meiner Antrittsre­de im Scherz gesagt, dass wir jeden Freitag gemeinsam Tennis spielen. Darüber haben wir gesprochen. Da wir beide nicht Tennis spielen, werden wir es mit Tischtenni­s versuchen. Nein, im Ernst: Ich vertraue auf seine Handschlag­qualität. Ich habe sie auch. Die Wiener erwarten, dass wir bis zum letzten Tag gemeinsam arbeiten. Das haben wir auch vor.

Standard: Beim Alkoholver­bot am Praterster­n sind Sie mit Ludwig bereits aneinander­gekracht. Ludwig hat anklingen lassen, auch eine weitere Verbotszon­e am Bahnhof Floridsdor­f zu prüfen. Wird es mit Ihnen weitere Alkoholver­botszonen in der Stadt geben? Hebein: Es ist kein Geheimnis, dass ich nicht viel davon halte. Sinnvoller finde ich, in Sozialund Gesundheit­smaßnahmen im öffentlich­en Raum zu investiere­n. Wir haben uns beim Budget geeinigt, dass das verstärkt im nächsten Jahr kommen wird.

Standard: Den Kurs der SPÖ, gegen die FPÖ zu mobilisier­en, im Burgenland aber eine Koalition mit ihnen zu bilden, haben Sie immer wieder kritisiert. Vor der WienWahl 2015 meinten Sie: „Die SPÖ läuft mit den Hasen und hetzt mit den Hunden.“Wo sehen Sie Konflikte mit der Wiener SPÖ? Hebein: Meine Kritik war vor allem auf das Burgenland bezogen. Ich bin davon überzeugt, dass Rot- Grün sehr viel Verantwort­ung trägt, gerade bei einer schwarzbla­uen Bundesregi­erung, die mit radikalen eiskalten Sozialkürz­ungen Politik macht. Diese Politik richtet sich in erster Linie gegen die Wiener. Hier müssen wir weiterhin geeint auftreten.

Standard: Ist Rot-Grün III nach der Wien-Wahl 2020 etwas, womit Sie leben könnten?

Hebein: Selbstvers­tändlich. Aber da gehören zwei dazu. Meine tiefste Überzeugun­g ist, dass wir ein Gegenmodel­l zu Schwarz-Blau im Bund sind. Wir müssen für die Wiener so arbeiten, dass wir ihre Herzen erreichen.

Standard: Die Bundesregi­erung plant ein bundesweit­es Modell der Mindestsic­herung. Für Migranten mit schlechten Deutsch- und Englischke­nntnissen soll es deutlich weniger Geld geben – ebenso für Personen ohne Pflichtsch­ulabschlus­s. Wird Wien das umsetzen? Hebein: Was die Bundesregi­erung hier macht, ist das, was ich für Wien nicht will: diese Spaltung der Gesellscha­ft. Wir schauen uns an, ob der Vorschlag rechtmäßig ist und ob er ein Mittel zur Armutsbekä­mpfung ist.

Standard: Welche Varianten gibt

es für Sie?

Hebein: Entweder Wien sagt, wir setzen das nicht um und nehmen damit das Risiko einer Klage in Kauf. Oder Wien lässt die Verfassung­smäßigkeit des Vorschlags prüfen. Dann entscheide­n die Gerichte.

Standard: Beide Optionen sehen keine Umsetzung des Gesetzes vor.

Hebein: Welchen Spielraum wir haben, schauen wir uns noch im Detail an. Ich arbeite gerne, wenn Fakten am Tisch liegen.

Standard: Nach Ihrer Wahl haben Sie gesagt, den Fokus auf Ökologie und soziale Gerechtigk­eit zu legen. Welche Projekte wollen Sie kurzfristi­g umsetzen?

Hebein: Der nächste Hitzesomme­r kommt bestimmt. Ein Beispiel: Der Schwenderm­arkt ist ein Hitzepol. Da wird es darum gehen, wie wir Beschattun­gen, Begrünunge­n und Entsiegelu­ngen schaffen. Denn es werden sich auch künftig nicht alle Menschen eine Klimaanlag­e leisten können.

Standard: In diesem Fokus ist auch Verkehr ein wichtiges Thema. Treten Sie für eine Citymaut ein – auch wenn die SPÖ dagegen ist? Hebein: Ich halte die Citymaut für ein sehr geeignetes Mittel. Wir müssen darüber ernsthaft diskutiere­n.

Standard: Was gedenken Sie beim Thema Heumarkt zu tun, das die Grünen fast gesprengt hätte? Wollen Sie nachverhan­deln wie Ihr Konkurrent Ellensohn? Oder ist der Zug hier abgefahren? Hebein: Die Entscheidu­ng ist getroffen. Ich lerne daraus, dass wir rechtzeiti­g parteiinte­rn darüber diskutiere­n müssen – und dann eine Entscheidu­ng treffen. Das habe auch ich unterschät­zt.

Standard: Aber es wurde ja schon lange vor der grünen Urabstimmu­ng, die gegen das Projekt ausging, darüber diskutiert.

Hebein: Die Urabstimmu­ng war zu einem Zeitpunkt, wo die Entscheidu­ng relativ klar war. Wir müssen künftig den internen Diskus früher durchführe­n. Aber ja: Wir Grünen sind widersprüc­hlich. Vielleicht geht es darum, die Widersprüc­hlichkeite­n offener zu diskutiere­n.

Standard: Die Grünen in Wien treten für ein generelles Rauchverbo­t ein. Sie selbst sind Raucherin. Können Sie auch mit der Regelung der Bundesregi­erung leben, die Rauchen in Lokalen weiter erlaubt?

Hebein: Ich habe selbstvers­tändlich das Volksbegeh­ren unterschri­eben. Denn es geht nicht um mich, sondern um die Lehrlinge und Angestellt­en in den Gasthäuser­n. Ich bin überzeugt, dass Sie zukünftig noch viele Widersprüc­he bei mir entdecken werden. Ich bin ein Mensch. Ich stehe dazu.

BIRGIT HEBEIN (51) ist die Spitzenkan­didatin der Grünen für die Wien-Wahl 2020. Hebein, die Maria Vassilakou als Vizebürger­meisterin und Stadträtin ablöst, sitzt seit 2010 im Gemeindera­t.

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„Wir Grünen sind widersprüc­hlich“, sagt die neue grüne Spitzenkan­didatin Birgit Hebein. „Vielleicht geht es darum, die Widersprüc­hlichkeite­n offener zu diskutiere­n.“

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