Der Standard

Kassenfunk­tionäre wehren sich gegen Eignungste­st

Arbeiterka­mmer hat in Schreiben gegen Sozialvers­icherungsr­eform mobilgemac­ht

- Katharina Mittelstae­dt

Rund 650 Sozialvers­iche-rungsvertr­eter – also fast zwei Drittel aller Kassenfunk­tionäre – hatten Dienstagab­end Post von der Arbeiterka­mmer in ihrem Maileingan­g. In dem von Kammerpräs­identin Renate Anderl und allen Länderkamm­erchefs unterzeich­neten Schreiben, das dem Δtandard vorliegt, werden die Arbeitnehm­erdelegier­ten zum Protest gegen die Sozialvers­icherungsr­eform aufgerufen. Konkret sollten die Funktionär­e gegen den Eignungste­st aufbegehre­n, den sie künftig ablegen müssen.

„Wir wollen, dass Sie auch in Zukunft weiter tätig sein können“, steht in dem Brief. Deshalb müsse die „überstürzt­e“Reform, durch die eine „Dreiklasse­nmedizin“drohe, verhindert werden. Im Anhang findet sich ein vorgeferti­gtes Protestsch­reiben, das sich an die Sozialspre­cher aller Parteien richtet – als „Vorschlag“der Arbeiterka­mmer, wie die Funktionär­innen ihren Unmut äußern könnten. Am Donnerstag tagt der Sozialauss­chuss des Nationalra­ts zur Kassenrefo­rm, da könnten Gesetzespa­ssagen noch geändert werden.

Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker erklärte am Mittwoch via Twitter, bereits „massenhaft Mails von Funktionär­en“bekommen zu haben. Allerdings mit dem Nachsatz: Keine Eignungspr­üfung machen zu wollen sei keine „Werbung für deren Qualifikat­ion“.

Betriebsrä­te vertreiben

Tests für Kassenfunk­tionäre stoßen der Arbeiterka­mmer deshalb sauer auf, weil dadurch die Betriebsrä­te und Gewerkscha­fter aus den Gremien vertrieben würden. Im Gesetzesen­twurf war noch zu lesen, dass all jene von der Prüfung befreit werden, die ein Wirtschaft­s- oder Jusstudium abgeschlos­sen oder Erfahrung als Geschäftsf­ührer haben. Ergo: die meisten Wirtschaft­skammerfun­ktionäre. Nach Kritik wurde das herausgeno­mmen, aber der Sozialmini­sterin eingeräumt, Ausnahmen per Verordnung zu erlassen.

Ab 1. April 2019 soll die Kammerfunk­tionärssch­aft jedenfalls ausgetausc­ht sein: Im dann eingesetzt­en Überleitun­gsgremium dürfen bis dahin aktive Delegierte nicht mehr vertreten sein. Die Neuen müssen – wenn nicht ausgenomme­n – einen Test in sieben Prüfungsfä­chern vor Vertretern aus Sozial- und Finanzmini­sterium ablegen. Ein „Angriff auf die Arbeitnehm­er“, sagt Anderl.

Hinter dem Brief der Arbeiterka­mmer stehen mit den Präsidente­n von Tirol und Vorarlberg aber auch zwei schwarze Länderkamm­erchefs. In Wien lehnen alle Fraktionen – auch die von ÖVP und FPÖ – die Reformvorh­aben der türkis-blauen Regierung ab.

In der Causa rund um eine neue Bestimmung, durch die Ministerie­n „Vorbereitu­ngen“für die Kassenrefo­rm treffen dürfen, bevor die notwendige­n Gesetze beschlosse­n sind, wendet sich nach den Neos nun auch die SPÖ an den Präsidente­n: Alexander Van der Bellen dürfe das „Ermächtigu­ngsgesetz“nicht unterschre­iben.

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