Kassenfunktionäre wehren sich gegen Eignungstest
Arbeiterkammer hat in Schreiben gegen Sozialversicherungsreform mobilgemacht
Rund 650 Sozialversiche-rungsvertreter – also fast zwei Drittel aller Kassenfunktionäre – hatten Dienstagabend Post von der Arbeiterkammer in ihrem Maileingang. In dem von Kammerpräsidentin Renate Anderl und allen Länderkammerchefs unterzeichneten Schreiben, das dem Δtandard vorliegt, werden die Arbeitnehmerdelegierten zum Protest gegen die Sozialversicherungsreform aufgerufen. Konkret sollten die Funktionäre gegen den Eignungstest aufbegehren, den sie künftig ablegen müssen.
„Wir wollen, dass Sie auch in Zukunft weiter tätig sein können“, steht in dem Brief. Deshalb müsse die „überstürzte“Reform, durch die eine „Dreiklassenmedizin“drohe, verhindert werden. Im Anhang findet sich ein vorgefertigtes Protestschreiben, das sich an die Sozialsprecher aller Parteien richtet – als „Vorschlag“der Arbeiterkammer, wie die Funktionärinnen ihren Unmut äußern könnten. Am Donnerstag tagt der Sozialausschuss des Nationalrats zur Kassenreform, da könnten Gesetzespassagen noch geändert werden.
Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker erklärte am Mittwoch via Twitter, bereits „massenhaft Mails von Funktionären“bekommen zu haben. Allerdings mit dem Nachsatz: Keine Eignungsprüfung machen zu wollen sei keine „Werbung für deren Qualifikation“.
Betriebsräte vertreiben
Tests für Kassenfunktionäre stoßen der Arbeiterkammer deshalb sauer auf, weil dadurch die Betriebsräte und Gewerkschafter aus den Gremien vertrieben würden. Im Gesetzesentwurf war noch zu lesen, dass all jene von der Prüfung befreit werden, die ein Wirtschafts- oder Jusstudium abgeschlossen oder Erfahrung als Geschäftsführer haben. Ergo: die meisten Wirtschaftskammerfunktionäre. Nach Kritik wurde das herausgenommen, aber der Sozialministerin eingeräumt, Ausnahmen per Verordnung zu erlassen.
Ab 1. April 2019 soll die Kammerfunktionärsschaft jedenfalls ausgetauscht sein: Im dann eingesetzten Überleitungsgremium dürfen bis dahin aktive Delegierte nicht mehr vertreten sein. Die Neuen müssen – wenn nicht ausgenommen – einen Test in sieben Prüfungsfächern vor Vertretern aus Sozial- und Finanzministerium ablegen. Ein „Angriff auf die Arbeitnehmer“, sagt Anderl.
Hinter dem Brief der Arbeiterkammer stehen mit den Präsidenten von Tirol und Vorarlberg aber auch zwei schwarze Länderkammerchefs. In Wien lehnen alle Fraktionen – auch die von ÖVP und FPÖ – die Reformvorhaben der türkis-blauen Regierung ab.
In der Causa rund um eine neue Bestimmung, durch die Ministerien „Vorbereitungen“für die Kassenreform treffen dürfen, bevor die notwendigen Gesetze beschlossen sind, wendet sich nach den Neos nun auch die SPÖ an den Präsidenten: Alexander Van der Bellen dürfe das „Ermächtigungsgesetz“nicht unterschreiben.