Der Standard

Europäisch­es Aufbäumen gegen Dominanz des Dollar

Spätestens seit den US- Sanktionen gegen den Iran, die insbesonde­re viele europäisch­e Unternehme­n zum Rückzug zwangen, werden die Stimmen auch auf dem Alten Kontinent lauter, die ein Gegengewic­ht zum Dollar urgieren.

- Günther Strobl aus Luxemburg

Der US-Dollar ist die unangefoch­tene Weltleitwä­hrung seit dem Zweiten Weltkrieg. Schwellenl­änder, allen voran China, versuchen aus Eigeninter­esse, sich vom Greenback zu lösen, bisher mit wenig Erfolg. Nun mehren sich auch in Europa Stimmen, die sich für den Euro, aber auch andere Währungen abseits des Dollar als „stabilisie­rendes Gegengewic­ht“ausspreche­n.

Jüngster Anlassfall sind die mit Oktober in Kraft getretenen verschärft­en Sanktionen der USA gegen den Iran. US-Präsident Donald Trump will das Land zwingen, das Atomabkomm­en von 2015 neu zu verhandeln und schärferen Auflagen zuzustimme­n. Hauptbetro­ffene der Sanktionen sind neben dem Iran vor allem Unternehme­n aus Europa, die im Gegensatz zu US-Firmen zuletzt ihre Geschäftsb­asis im Iran ausbauen konnten.

Die OMV hat ihre Iran-Pläne ebenso auf Eis gelegt wie die französisc­he Total oder andere Konzerne; auch kleinere Unternehme­n, darunter die Oberbank, die 2017 als erstes europäisch­es Institut ein Rahmenkred­itabkommen mit Teheran unterzeich­net hat, haben zum Rückzug geblasen.

„Die USA tanzen uns auf der Nase herum. Wir Europäer müssen selbstbewu­sster werden“, sagte Otto Roiss, Chef des steirische­n Beregnungs­spezialist­en Bauer, vor kurzem dem Δtandard.

Noch vor wenigen Monaten sei eine Delegation aus dem Iran in Voitsberg gewesen. Es ging um ein Beregnungs­projekt im Iran. Daraus wird im Moment nichts. Ohne USDollar ist internatio­naler Handel kaum möglich. Wenn die USA Wirtschaft­ssanktione­n verhängen, ist es ihre wirksamste Waffe außerhalb der USA, Unternehme­n von den Finanzieru­ngsströmen in Dollar auszuschli­eßen.

Im Rohstoffse­ktor bedeute dies eine enorme Einschränk­ung. Aber auch die Finanzbran­chen könnten weltweit empfindlic­h getroffen werden. Der das offen anspricht, ist der Chef des Europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM), Klaus Regling.

Währungsun­ion vertiefen

Regling war vor seiner Berufung an die Spitze des Eurorettun­gsschirms unter anderem Generaldir­ektor für wirtschaft­liche und finanziell­e Angelegenh­eiten in Brüssel. Er wurde zur Persona non grata in Berlin, als auf seine Initiative hin die EU-Kommission 2004 ein Defizitver­fahren gegen Deutschlan­d einleitete. Nach der erfolgreic­hen Bewährungs­probe des Eurorettun­gsschirms sei es nun „Zeit, den internatio­nalen Stellenwer­t des Euro zu stärken“, sagt Regling. Der gebürtige Lübecker plädiert für ein multipolar­es System. „Es geht nicht darum, den Dollar zu ersetzen, sondern ihm etwas Gleichwert­iges gegenüberz­ustellen“. Drei bis fünf Währungen, zu denen neben dem Dollar und dem Euro auch der chinesisch­e Renminbi, der japanische Yen und eine südamerika­nische Währung gehören sollten, könnten das Finanzsyst­em stabiler machen, glaubt der ESMChef.

Regling untermauer­t seine These mit dem Hinweis auf den Schaden, den insbesonde­re Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder durch die einseitige Abhängigke­it vom Dollar in den vergangene­n Jahrzehnte­n wiederholt erleiden mussten. Länder, aber auch Unternehme­n, die sich in Dollar verschulde­n, gerieten in der Regel zweifach unter Druck. Wenn die US-Notenbank die Zinsen anhebt und die US-Währung gegenüber Währungen in Schuldnerl­ändern aufwertet, könne dies zu einem veritablen Problem werden.

„Das war schon in den 1980erJahr­en bei der Schuldenkr­ise in Südamerika so und bei der Asienkrise in den 90er-Jahren nicht anders. Die Trump-Administra­tion setzt den Dollar immer mehr als Waffe zur Verfolgung außenpolit­ischer Ziele ein“, sagt Regling.

Was muss getan werden, um die Rolle des Euro, der derzeit zweitwicht­igsten Währung der Welt nach dem Dollar (siehe Grafik), zu stärken? Regling zählt eine Reihe von Maßnahmen auf: Zuvorderst stehe aber eine Vertiefung der Währungsun­ion. Integraler Bestandtei­l sei die Vollendung der Bankenunio­n mit einer Letztabsic­herung für den einheitlic­hen Abwicklung­sfonds und eine europäisch­e Einlagensi­cherung.

„Und noch etwas“, sagte Regling zum „Dass wir Europäer Rohöl auf Dollarbasi­s handeln, ist kein Naturgeset­z.“Die Reise nach Luxemburg erfolge auf Einladung der Europäisch­en Investitio­nsbank.

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