Der Standard

Pensionsvo­rsorge im Kaffeehaus

- Felix Bulle & Ernst Bär

Stell dir vor, ich komme gerade aus meinem Lieblingsk­affeehaus, dem mit den vielen Börsenzeit­ungen. Ich habe überhaupt keinen Platz mehr bekommen, weil es nur so von lauter Pensionist­en wimmelt. Da versucht man sich bei einem Espresso inspiriere­n zu lassen, und dann besetzen diese Leute alle Tische. Schön, dass die das Geld für Kaffee und Kuchen an einer doch eher teuren Adresse haben, ob die alle erfolgreic­h an der Börse investiert haben?

Das glaube ich eher nicht. Zwar wissen wir ja, dass die erste Säule unseres Pensionssy­stems den internatio­nalen Vergleich sicher nicht scheuen muss, aber gleich so ein Überfall von Pensionist­en im Kaffeehaus überrascht mich dann doch wieder. Vielleicht handelt es sich um eine Busreise von einem erfolgreic­hen Investment­klub für alle Mitglieder mit 50-Jahr-Jubiläum der Mitgliedsc­haft …

Sehr witzig! Du weißt genauso gut wie ich, dass die Investment­klubs unter einem erhebliche­n Mitglieder­schwund leiden. Es gibt halt leider viel weniger aktive Börsianer als in der Vergangenh­eit. Und das mit den Säulen in der Pensionsvo­rsorge kapiere ich ja überhaupt nicht. Warum überhaupt Säulen, so etwas Antiquiert­es! Und wer steht denn überhaupt auf diesen Säulen drauf? Vielleicht der Finanzmini­ster auf der Säule Nummer 1.

Eine wirklich gute Idee! Aber ich muss dich enttäusche­n. Der Finanzmini­ster muss zwar für die Lücke aus Einnahmen und Auszahlung­en aufkommen, aber die Säulen bezeichnen die unterschie­dliche Basis für das Ansparen in der Pension. Also staatliche Pension, Vorsorgeka­sse & Pensionska­sse und schließlic­h private Vorsorge. Das sind die Säulen 1, 2 und 3. Deine Zockereien an der Börse sind ein Hazardspie­l, das jedenfalls zu Säule 3 zählt.

Du verstehst weder mich noch meinen ausgeklüge­lten Investment­ansatz, der natürlich von aktivem Management geprägt ist. Ich bin kein Zocker oder Avantgarde-Spieler, sondern Investor. Aber auch Investoren können immer wieder noch bessere Anlagealte­rnativen finden, davor ist man nie gefeit. Ich stehe dazu, laufende Optimierun­gen vorzunehme­n und dementspre­chend zu kaufen und zu verkaufen, da ist nichts Schlechtes dran.

Schön gesagt, lieber Felix. Bis auf die Avantgarde klingt das wie die Rechtferti­gung des Anwalts eines Hedgefonds, der gerade dabei ist pleitezuge­hen. Aber wirklich sehr elegant formuliert. Ich schlage vor, du gehst noch einmal ins Kaffeehaus und schaust, ob sich die Reihen gelichtet haben. Aber vielleicht tauschst du den Kaffee gegen einen beruhigend­en Tee ein, der dich die Börse mit dem notwendige­n Abstand und Weitblick betrachten lässt.

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