Der Standard

Wolfgang Sobotka, der Blockadebr­echer

Russisches Lob für österreich­ischen Parlaments­präsidente­n

- André Ballin aus Moskau

Tauwetter in Moskau. Das Thermomete­r am Eingang der Duma zeigt zwei Grad über null an. Schnee und Frost der vergangene­n Wochen haben sich in Luft aufgelöst. Und so trübt Nebel die Aussichten in Moskau. Die Wetterdate­n umschreibe­n ziemlich genau auch das russischös­terreichis­che Verhältnis. Beide Seiten sind sichtlich um Erwärmung bemüht, doch so ganz klar ist nicht, wie es nach dem jüngsten Spionagesk­andal weitergehe­n soll.

Außenminis­terin Karin Kneissl hat ihre für Anfang Dezember geplante Visite absagen müssen. Parlaments­präsident Wolfgang Sobotka hingegen ließ sich von dem Trubel nicht beirren, „weil die Reise über sieben Monate vorbereite­t wurde“, wie er zur Begründung sagt. Es sei wichtig, dass die Parlamente den Dialog aufrechter­hielten und sogar noch verstärkte­n, meint er.

Hauptprogr­ammpunkt seines dreitägige­n Besuchs sind daher auch ein Treffen mit Duma-Chef Wjatschesl­aw Wolodin und eine Rede vor dem russischen Parlament, während Besuche im Bürgerrech­tszentrum Sacharow und im jüdischen Museum sowie Treffen mit Vizeaußenm­inister Wladimir Titow und Vizepremie­r Dmitri Kosak den parlamenta­rischen Austausch rahmen.

Historisch­er, aber weicher Auftritt

Sobotkas Auftritt in der Duma hat durchaus historisch­en Charakter. 17 Jahre sei es her, seit zuletzt ein österreich­ischer Parlaments­vorsitzend­er in Moskau gewesen sei, wird Wolodin hinterher die lange Lücke im parlamenta­rischen Dialog anmahnen. Noch länger, nämlich gut 20 Jahre, ist es her, seit ein solcher in der Duma gesprochen hat. Zuletzt haben sich westliche Politiker sol- che Auftritte wegen der gespannten Beziehunge­n ohnehin erspart. Sobotka aber beginnt mit Streichele­inheiten für die russische Seele, nennt das Land eine Großmacht, erinnert mit Dank an die Verdienste der Roten Armee bei der Befreiung Europas vom Faschismus und die Rolle der sowjetisch­en Führung bei der Wiederhers­tellung von Österreich­s Souveränit­ät. Dafür gibt es Beifall.

Der verebbt, als Sobotka auf die UkraineKri­se zu sprechen kommt. Dabei ist die Kritik des Niederöste­rreichers an Moskau allenfalls leise, als er das Ende der Sanktionen mit dem Umsetzen des Minsker Abkommens verbindet und in der Kertsch-Krise „beide Seiten zur Deeskalati­on“aufruft. „In einer Partnersch­aft ist kein Platz für Cyberattac­ken und Spionage“, sagt er noch, eher in den luftleeren Raum, als an den Kreml gerichtet. Die Stimmung hellt sich auf, als er dann schnell zu Wirtschaft­sthemen überleitet und Wiens Unterstütz­ung für das russische Pipelinepr­ojekt Nordstream 2 sowie einen intensiver­en parlamenta­rischen Austausch verkündet. Im Februar dürfen sich so russische Abgeordnet­e Wien anschauen. Am Ende gibt es reichlich Applaus und von Wolodin bei der anschließe­nden Pressekonf­erenz ein Lob. Der Duma-Chef will sich dort nicht zur Spionageaf­färe äußern, bezeichnet stattdesse­n Sobotka als „Blockadebr­echer“. Mit seinem Besuch hebe er die Informatio­nssperre zwischen Europa und Russland auf. Denn nur durch Dialog könne Vertrauen entstehen, sagt er, um dann in einem langen Monolog erst die Ukraine und dann auch die westlichen Medien scharf zu kritisiere­n. Sobotka schweigt dazu. In Moskau hat er Freunde gewonnen. Ob das für die Reise im Jänner nach Kiew auch gilt, bleibt abzuwarten.

 ?? Foto: Matthias Cremer ?? Sobotka warb in Moskau für den Dialog der Parlamente.
Foto: Matthias Cremer Sobotka warb in Moskau für den Dialog der Parlamente.

Newspapers in German

Newspapers from Austria