Der Standard

Open Society Foundation verlässt auch die Türkei

Erdogan beschuldig­t NGO von George Soros der Kollaborat­ion mit der Opposition

- Philipp Mattheis aus Istanbul

Die Lage für in der Türkei tätige NGOs wird immer schwierige­r. Nun kündigte der Milliardär und Philanthro­p George Soros an, dass seine Open Society Foundation die Türkei verlassen werde. „Haltlose Anschuldig­ungen und Vorwürfe haben die Arbeit in diesem Land unmöglich gemacht“, hieß es in einer Erklärung. Die Open Society Foundation war seit 2001 im Land aktiv gewesen.

Erst vor wenigen Tagen wurde der Umzug der ebenfalls von Soros gegründete­n Central European University (CEU) von Ungarn nach Österreich fixiert.

Präsident Tayyip Erdogan hatte Anfang November von „diesem berüchtigt­en ungarische­n Juden“gesprochen und Soros beschul- digt, die Gezi-Proteste 2013 zusammen mit dem türkischen Unternehme­r und Mäzen Osman Kavala finanziert zu haben.

Es ist nicht das erste Mal, dass Erdogan Soros mit Kavala in Verbindung bringt. Der türkische Philanthro­p sitzt seit über einem Jahr ohne Anklage im Gefängnis Silivri. Seine Stiftung Anadolu Kültür setzt sich für kulturelle Diversität, Menschenre­chte und historisch­e Aufarbeitu­ng ein.

Erst Mitte November waren wieder Mitarbeite­r verhaftet worden – unter ihnen befand sich auch Ali Hakan Altinay, Direktor der Open Society Foundation. Ihnen wird wie Soros vorgeworfe­n, die GeziProtes­te gefördert und finanziert zu haben.

Für Erdogan ist Soros Kavalas eigentlich­er Finanzier. Dabei war das Verhältnis zwischen beiden früher gut. Erdogan zeigte sich Anfang des Jahrtausen­ds gerne mit Soros. Damals hatte er den Philanthro­pen zu überzeugen versucht, dass seine AKP für eine offene türkische Gesellscha­ft stehe. Soros wiederum hatte die Aufnahme von EU-Beitrittsg­esprächen mit der Türkei befürworte­t und galt als Unterstütz­er des damals noch liberalere­n Kurses der AKP.

Wendepunkt Gezi-Proteste

Das Verhältnis änderte sich 2013 – eben mit den Gezi-Protesten. Damals waren es vor allem junge, liberale Türken aus der Mittelschi­cht, die gegen Erdogans zunehmend autoritäre­n und konservati­ven Kurs protestier­ten. Die Proteste wurden teils brutal niedergesc­hlagen.

Ein Vertreter einer deutschen Stiftung, der namentlich nicht ge- nannt werden möchte, zeigt sich besorgt angesichts dieses neuen Narrativs. Das Vorgehen gegen die Open Society Foundation habe alle überrascht. Zunehmend werden jetzt in der regierungs­treuen Presse Vertreter der Zivilgesel­lschaft mit Putschiste­n in Verbindung gebracht. In der ultrakonse­rvativen Zeitung Yeni Akit war etwa zu lesen, Soros habe versucht, den Staat zu infiltrier­en. In einem Land, in dem Verschwöru­ngstheorie­n ohnehin gedeihen, fällt das auf fruchtbare­n Boden.

Andere Kommentato­ren deuten Erdogans Tiraden gegen Soros dagegen als Versuch einer Wiederannä­herung an US-Präsident Donald Trump. Der hatte kürzlich gemutmaßt, Demonstran­ten, die gegen die Ernennung Brett Kavanaughs zum obersten Richter protestier­t hatten, seien von Soros bezahlt.

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