Der Standard

Freifahrts­chein für die Zerstörung des Amazonas

Brasilien gilt als Sorgenkind auf der 24. Klimakonfe­renz in Polen. Denn der designiert­e Präsident Bolsonaro hält Klimaschut­z nur für ein Hindernis wirtschaft­licher Entwicklun­g. Für den Amazonas hat er beunruhige­nde Pläne.

- Susann Kreutzmann aus São Paulo

Brasilien tritt beim Klimaschut­z auf die Bremse. Das sorgt bei der 24. Klimakonfe­renz im polnischen Katowice, die offiziell noch bis 14. Dezember läuft, für Gesprächss­toff. Denn der künftige Präsident Jair Bolsonaro macht Politik im Sinne der Agrar- und Minenlobby, die ihn im Wahlkampf großzügig unterstütz­t hat. Das Amazonasge­biet ist für Brasiliens Rechtsauße­n in erster Linie ein Rohstoffre­servoir, das es auszubeute­n gilt. Ein wichtiger Baustein des Pariser Klimapakte­s, mit dem die Erderwärmu­ng in den Griff bekommen werden soll, ist aber der Schutz des Amazonas als grüne Lunge der Welt.

Brasilien hat zudem vergangene Woche seine Kandidatur für die Ausrichtun­g der 25. UN-Klimakonfe­renz im kommenden Jahr zurückgezo­gen. Zunächst ließ das Außenminis­terium wissen, dass die angespannt­e Finanzlage der Grund sei. Bolsonaro, der auch „brasiliani­scher Trump“genannt wird, deutete jedoch auch an, dass er ähnlich wie der US-Präsident das Pariser Klimaabkom­men aufkündige­n könnte.

In einem 40-minütigen Facebook-Video schimpfte Bolsonaro zudem jüngst über die „kapriziöse“brasiliani­sche Umweltbehö­rde Ibama, die er am liebsten schließen würde. Dafür will er mit Ländern, die „nicht so ideologisc­h“sind, einen Pakt für die Rohstoffau­sbeutung des Amazonas schließen. Chinas Botschafte­r hat er diesbezügl­ich bereits empfangen.

Hotels in Naturschut­zgebieten

Keine Erwähnung findet dagegen, dass sich rund die Hälfte aller weltweit geschützte­n Flächen in Brasilien befindet. Fast ein Drittel des Landes zählt dazu. Auch die mehr als 300.000 Ureinwohne­r im Amazonas und die geschätzt 80 unkontakti­erten Völker ohne eigene Reservate tauchen in Bolsonaros Visionen nicht auf.

Dafür hat der Ex-Militär aber konkrete Pläne, was mit den ausgewiese­nen Naturschut­zgebieten geschehen soll. So will er den Tourismus entwickeln und dort Hotels bauen lassen. „Wenn es Hotels in Schutzgebi­eten gibt, bleibt die Natur geschützt“, sagt er. Der Tourismus schütze die Umwelt, allerdings „nicht in dieser fanatische­n Art wie Ibama“. Es ist selbst für Bolsonaro-Anhänger schwierig, dieser Logik zu folgen.

Nicht nur Hotelbetre­iber, auch die Minenlobby und Holzfäller erhalten einen Freifahrts­chein. Allein die Aussicht auf einen Präsidente­n Bolsonaro ließ die illegale Abholzung des Regenwalde­s zwischen August bis Oktober um knapp 50 Prozent ansteigen, wie die Zahlen des staatliche­n Weltraumin­stitutes Inpe belegen.

„Keinen Zentimeter für Indianerre­servate“, tönte Bolsonaro bereits im Wahlkampf. Denn wo Schutzgebi­ete seien, gebe es auch Bodenschät­ze. Insgesamt leben im Amazonas 436 indigene Stämme auf 1,2 Millionen Quadratkil­ometern. „Die Holzfäller, die in unser Gebiet eindringen, sind schwerbewa­ffnet“, berichtet der Kazike Awapu vom Amazonasst­amm Jupaú in Rádio Brasil Atual. Überall herrsche Angst. Dabei haben die Ureinwohne­r ein in der Verfassung festgeschr­iebenes Recht auf das Land, auf dem sie leben. Obwohl das Land offiziell im Eigentum des Staates verbleibt, ist die Nutzung ausschließ­lich den indigenen Völkern vorbehalte­n.

„Risiko eines Genozids“

Im vergangene­n Jahr wurden in Brasilien 70 Ureinwohne­r bei Landkonfli­kten getötet. Cleber Buzatto vom Indianermi­ssionsrat Cimi warnte bei einer Anhörung vor den Vereinten Nationen in Genf schon vor dem „Risiko eines Genozids“an Brasiliens Ureinwohne­rn. Auf die Unterstütz­ung der Indianerbe­hörde Funai können die indigenen Stämme schon lange nicht mehr hoffen. Bereits unter der noch aktuellen neoliberal­en Regierung von Michel Temer wurden der Behörde die Mittel um 44 Prozent gekürzt. Kontrollpo­sten, die die Indianerre­servate schützen sollen, wurden als Erstes abgezogen. Bolsonaro hält Funai sogar für gänzlich überflüssi­g und will die Behörde abschaffen.

Besorgnis erregte auch Bolsonaros Ankündigun­g, das Umweltmit dem Agrarminis­terium zusammenzu­legen – unter dem Deckmantel der Effizienz. Ausgerechn­et der noch amtierende Agrarminis­ter Blairo Maggi, der auch einer der größten Sojaproduz­enten Brasiliens ist, begehrte gegen die Zusammenle­gung auf. Nach einer Welle des Protests aus allen politische­n Ecken hat Bolsonaro inzwischen diesen Vorschlag zurückgeno­mmen und will, wenn man seinen Worten glauben mag, auch nicht mehr aus dem Pariser Klimapakt aussteigen, diesen dafür aber neu verhandeln.

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Der Einfluss der Agrarlobby ist als Folge der politische­n Turbulenze­n in Brasilien wieder gewachsen. Die Vernichtun­g des Regenwalde­s im Amazonasge­biet nimmt erneut zu.

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