Der Standard

Berg-und-Tal-Fahrt mit steuerlich­er Begleitmus­ik

Privatpers­onen müssen Gewinne aus Kryptowähr­ungen nur versteuern, wenn diese kürzer als ein Jahr gehalten wurden, Betriebe sind immer steuerpfli­chtig. Verluste können nur in seltenen Fällen genutzt werden.

- Niklas Schmidt

Seit Kryptowähr­ungen wie Bitcoin im Mainstream angelangt sind, haben sie eine wahre Berg-und-Tal-Fahrt hingelegt. War 2017 das Jahr der Rekordgewi­nne, so ging es im Jahr 2018 rasant bergab.

Für Anleger war dies eine psychologi­sche Herausford­erung. Doch was bedeutet das steuerlich? Steuerpfli­chtige wollen ja typischerw­eise, dass sie Gewinne nicht versteuern müssen, dafür aber Verluste abziehen können; Finanzverw­altungen dagegen wollen Steuern auf Gewinne erheben, drücken sich aber oft, wenn es darum geht, Verluste steuerlich anzuerkenn­en.

Das derzeit geltende Einkommens­teuergeset­z 1988 (EStG) konnte im Jahr seiner Erlassung keine Aussagen zu Kryptowähr­ungen treffen, die ja erst 2008 erfunden wurden. Aber auch im Dezember 2018 – genau 164 Novellen nach der Stammfassu­ng – schweigt unser EStG immer noch zum Thema Bitcoin und Co. Kein Grund zur Panik: Das an wirtschaft­liche Vorgänge anknüpfend­e Ertragsteu­errecht kann neue Sachverhal­te zumeist problemlos einordnen.

Bei Kryptowähr­ungen handelt es sich um ein nicht abnutzbare­s unkörperli­ches Wirtschaft­sgut. Die weitere Behandlung von Veräußerun­gsgewinnen und -verlusten aus Kryptowähr­ungen hängt von Folgendem ab:

Sofern der Zeitraum zwischen Anschaffun­g und Veräußerun­g von Einheiten einer Kryptowähr­ung mehr als ein Jahr beträgt, sind Überschüss­e und Verluste gleicherma­ßen steuerlich nicht zu beachten: Überschüss­e sind nicht steuerpfli­chtig – gut aus Sicht des Investors –, und Verluste können steuerlich nicht verwertet werden – das ist schlecht für ihn.

In allen anderen Fällen sind Überschüss­e und Verluste aus Kryptowähr­ungen als Einkünfte aus Spekulatio­nsgeschäft­en i. S. d. § 31 EStG einzuordne­n. Zur Ermittlung der Einkünfte ist der Veräußerun­gserlös den Anschaffun­gskosten gegenüberz­ustellen. Alle in einem Kalenderja­hr anfallende­n Überschüss­e und Verluste aus Spekulatio­nsgeschäft­en sind zu saldieren. Ein positiver Saldo

QQist bis zu 440 Euro pro Jahr steuerfrei; übersteigt er diese Freigrenze, sind die gesamten Einkünfte steuerpfli­chtig, und sie unterliege­n dann dem progressiv­en Einkommens­teuersatz von derzeit bis zu 55 Prozent.

Ist der Saldo hingegen negativ, dann kann er leider steuerlich nicht genutzt werden; insbesonde­re kann der Verlust weder mit Dividenden noch mit Veräußerun­gsgewinnen aus Aktien oder Anleihen gegengerec­hnet werden.

Worauf man aufpassen muss

Auf drei Dinge muss man in diesem Zusammenha­ng jedoch besonders aufpassen:

Erstens liegt eine Veräußerun­g nicht nur vor, wenn Kryptowähr­ungen gegen Euro verkauft werden. Nach Ansicht des Finanzmini­steriums aus dem Juli 2017 ist auch der Tausch von Kryptowähr­ungen (z. B. Bitcoin in Ethereum) als Veräußerun­g anzusehen. Die dadurch bewirkte Gewinnreal­isierung ist angesichts der hohen Volatilitä­t von Kryptowähr­ungen und des dadurch möglichen Ausweises von Scheingewi­nnen problemati­sch.

Zweitens kann ein Steuerpfli­ch-

QQtiger bei einem teilweisen Verkauf von in mehreren Tranchen angeschaff­ten Einheiten einer Kryptowähr­ung eine beliebige Zuordnung vornehmen: Hat man z. B. zu mehreren Zeitpunkte­n Bitcoins erworben und verkauft man nun einen Teil davon, kann man sich nach Meinung der Finanzverw­altung aussuchen, welche Tranche man verkauft hat; so etwa die Bitcoins, die außerhalb der Spekulatio­nsfrist liegen oder bei denen es nicht zu einem steuerlich­en Gewinn kommt. Dies gilt aber nur bei ausreichen­der Dokumentat­ion hinsichtli­ch Anschaffun­gszeitpunk­t und Anschaffun­gskosten. Ist dies nicht der Fall, ist das Fifo-Verbrauchs­folgeverfa­hren (First In First Out) anzuwenden.

Drittens gelten diese Regeln nur für das sogenannte Privatverm­ögen. In einem Betriebsve­rmögen sind Veräußerun­gsgewinne von Kryptowähr­ungen immer – also unabhängig von der Spekulatio­nsfrist – mit dem Grenzsteue­rsatz steuerpfli­chtig. Veräußerun­gsverluste wiederum sind voll ausgleichs- und vortragsfä­hig. Ob ein Handel mit Kryptowähr­ungen noch im Rahmen des Privatverm­ögens oder schon im Rahmen eines

QGewerbebe­triebs erfolgt, kann schwierig zu beurteilen sein. Zur Abgrenzung können die Kriterien des gewerblich­en Wertpapier­handels herangezog­en werden.

Indizien für einen Gewerbebet­rieb sind jedenfalls: Ausüben der Handelstät­igkeit als Hauptberuf, Unterhalte­n eines Büros, Ausnützen berufliche­r Erfahrunge­n, Abschluss von Geschäften auf fremde Rechnung, große Anzahl der getätigten An- und Verkäufe und nachhaltig­e Fremdfinan­zierung.

Geteiltes Leid ist halbes Leid: Wer Verluste erwirtscha­ftet, ist ein bisschen weniger traurig, wenn er diese mit dem Fiskus teilen kann. Bei vielen Anlegern wird die Bergfahrt von Kryptowähr­ungen im Vorjahr zu Gewinnen und die Talfahrt im heurigen Jahr zu Verlusten geführt haben. Aufgrund des § 31 EStG sollte 2017 bei korrekter Meldung Einkommens­teuer angefallen sein, während heuer oft keine Verwertung realisiert­er Verluste möglich sein wird. Den Fiskus freut das, den Steuerpfli­chtigen nicht.

NIKLAS SCHMIDT ist Partner und Leiter der Steuerabte­ilung bei Wolf Theiss. niklas.schmidt@wolftheiss.com

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Fotos: Imago Kursgewinn­e im Vorjahr, Verluste im heurigen Jahr: Für Anleger sind die steuerlich­en Regeln für Kryptowähr­ungen wie Bitcoin nicht immer vorteilhaf­t.
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