„Wir müssen uns der Herausforderung stellen“
Cecilia Ugaz Estrada ist Director of Policy Research and Statistics der United Nations Industrial Development Organization (UNIDO). Sie kennt die Chancen und Herausforderungen der industriellen Energiewende und appelliert an das große globale Know-how im
„ Diversität und Resilienz“sind Schlüsselbegriffe mit zentraler Bedeutung im Energiediskurs. Sie bildeten auch das Kernthema f ür das diesjährige Europäische Forum Alpbach. Was genau bedeuten diese Begriffe?
Diversität und Resilienz sind zwei verwandte Begriffe im Diskurs um neue Energiesysteme. Nehmen wir als Beispiel das Klimaziel Nummer sieben: die Gewährleistung einer nachhaltigen Entwicklung und des Zugangs für alle zu erschwinglicher, zuverlässiger und moderner Energie bis zum Jahr 2030. Es wurden wiederholt Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen von jenen Treibhausgasen gefordert, die das Ergebnis einer übermäßigen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen bei der Energieerzeugung sind und obendrein die globale Erwärmung beschleunigen. Der Klimawandel wird schwerwiegende, weitreichende und irreversible Auswirkungen auf die Natur und uns alle haben, wenn wir die Treibhausgasemissionen nicht stark reduzieren. Die Welt muss sich dieser Herausforderung stellen. Obwohl sich ein düsteres Bild abzeichnet, besteht dennoch die große Chance, unsere Energiesysteme gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels wi- derstandsfähiger zu machen und gleichzeitig die Energieversorgung zu diversifizieren. Besonders diese Diversifizierung der Energiequellen muss in Zukunft vorangetrieben werden. Sie markiert den Übergang von großen zentralisierten Energiesystemen hin zu kleinen, dezentralen und erneuerbaren Energiequellen. In diesem Fall würden sich Diversität und Resilienz, also Vielfalt und Widerstandsfähigkeit, unserer Energiesysteme gegenseitig unterstützen, und die Erreichung des Klimaziels Nummer sieben und anderer Klimaziele wird möglich.
Die Pariser Klimaziele haben einen globalen Rahmen für die rasche Förderung der Reduktion von Treibhausgasen gesetzt – die Abkehr von fossilen Energieträgern ist ein dringendes Thema. Unternehmen suchen derzeit nach Lösungen, um auf dem Weltmarkt erfolgreich zu bleiben. Können innovative Energietechnologien solche Lösungen bieten?
Ja, das können sie! Wir müssen uns bewusst machen, dass viele dieser innovativen Lösungsansätze bereits bekannt sind. Als Weltgemeinschaft verfügen wir über genügend technisches Wissen und Know-how, um den Übergang zu diversifizierten und belastbaren Energiesystemen möglich zu machen. Aus Sicht der Industrie stellt die Energiewende eine große Herausforderung für den energieintensiven Sektor unseres Landes dar – eine Situation, die zugleich große Chancen bietet. Was sind die „ Hausaufgaben“, die Unternehmen jetzt erledigen müssen, um mittelfristig zu bestehen?
Ich denke, diese Frage ist Teil einer umfassenderen Fragestellung, nämlich: Welche Rolle spielt ein Unternehmen, was kann es zur Energiewende und zur Einhaltung der Klimaziele, insbesondere des Klimaziels Nummer sieben, beitragen? Erstens müssen Unternehmen die Auswirkungen ihrer eigenen Entscheidungen messen können. Die Wahl von Technologien und Geschäftsmodellen ist eben keine neutrale Entscheidung, wenn es darum geht, die Energiewende und den Klimaschutz voranzubringen. Zweitens sollten Unternehmen auch versuchen, ihre zentralen Strategien am Ziel einer nachhaltigen Entwicklung auszurichten. Beispielsweise sollten die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am Gesamt-Endenergieverbrauch und die Verdoppelung der Energieeffizienzquote auch auf Unternehmensebene zu wichtigen Leistungsindikatoren werden. Drittens könnten Unternehmen der Energiebranche von einer einzigartigen Wachstumsmöglichkeit profitieren, wenn diese direkt mit Abnehmern zusammenarbeiten würden, um erschwingliche Energiedienstleistungen für jeden Kunden zu entwickeln. Aber das Wichtigste ist aller Voraussicht nach die Erkenntnis, dass wir uns alle auf demselben Planeten befinden und dass das Wohlergehen von Unternehmen und Menschen langfristig voneinander abhängig ist.