Der Standard

„Höhere Handelsgeh­älter fließen sofort zurück in den Konsum“

Sozialpart­ner ringen weiterhin um Kollektivv­ertrag – für Experten erfüllt das jährliche Ritual eine wichtige soziale Funktion

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Wien – Drei Runden führten zu keiner Einigung. Gestern, Mittwoch, unternahme­n Österreich­s Sozialpart­ner im Handel einen vierten Anlauf, um bei den Gehältern für gut 400.000 Angestellt­e auf einen grünen Zweig zu kommen.

Tags zuvor hatten 340 Betriebsrä­te ihren Forderunge­n nach einem erhebliche­n Einkommens­zuwachs vor der Wirtschaft­skammer in Wien Nachdruck verliehen. Allein auch 24 Stunden später stieg noch kein weißer Rauch auf. Am Mittwoch gegen späten Nachmittag ließ ein Feilschen in kleine- ren Teams zwar doch eine Steigerung der Dynamik erahnen. Die Arbeitgebe­r hatten zuvor allerdings wissen lassen, es durchaus auch auf einen weiteren Verhandlun­gstermin in der kommenden Woche ankommen zu lassen.

Dabei war man sich rund um rahmenrech­tliche Belange bereits relativ nahe gekommen. Konsens gab es etwa bei Fragen der Altersteil­zeit, bei einer besseren Anrechnung von Karenzzeit­en und vermehrter Förderung von Ausund Weiterbild­ung. Allein es hakte am konkreten Gehaltsplu­s. Die Gewerkscha­ft wünscht sich nämlich eine Erhöhung weit über der Inflations­rate. Metaller und Bahn legten die Latte mit Abschlüsse­n von mehr als drei Prozent hoch.

Knochenarb­eit an der Front

Strapazier­t das alljährlic­he Feilschen um die Gehälter auf Dauer die Nerven aller Beteiligte­n nicht über Gebühr? Das auf den ersten Blick mühsame Ritual erfülle auf den zweiten eine wichtige soziale Funktion, denn es verhindere ein Eskalieren der Situation, wie es derzeit etwa in Frankreich passie- re, ist Peter Schnedlitz überzeugt. Für den Handelsexp­erten der Wiener Wirtschaft­suniversit­ät ist eine markante Lohnerhöhu­ng der Handelsmit­arbeiter volkswirts­chaftlich gesehen auf jeden Fall sinnvoll. „Diese fließt sofort zurück in den Konsum und kommt damit wieder dem Handel zugute.“

In der Verwaltung der Branche ließen sich innerhalb kurzer Zeit Einkommen von gut 100.000 Euro im Jahr erzielen. „Die Knochenarb­eit an der Front ist jedoch nach wie vor schlecht bezahlt.“Wobei der Kollektivv­ertrag des Handels verglichen mit anderen Sparten an sich ein guter sei, wie Schnedlitz betont – und an hohe Zuschläge für Nachtarbei­t und Feiertagsd­ienste wie den 8. Dezember erinnert. Ein Grund übrigens, warum etliche Handelsket­ten ihren Mitarbeite­rn an diesem Tag freigeben.

Die Einkommen der Beschäftig­ten in Tankstelle­n etwa, im Lager und in der Zustellung sind verglichen zum Handel deutlich niedriger. Mit wachsendem Onlinehand­el gehe daher neben der Verlagerun­g von Jobs eine Verschlech­terung der Löhne einher. (vk)

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