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Seit heuer sind größere, kapitalmar­ktorientie­rte Unternehme­n verpflicht­et, Rechenscha­ft abzulegen über die Auswirkung ihres Handelns auf Gesellscha­ft und Umwelt. Für die meisten ist das mehr Pflicht als Kür.

- Günther Strobl

Es klingt wie die Neukreatio­n eines Weckerls auf Vollkornba­sis. NaDiVeG ist aber alles andere als Schonkost für Unternehme­n, auch wenn es manche noch nicht so ganz ernst nehmen. NaDiVeG steht für Nachhaltig­keits- und Diversität­sverbesser­ungsgesetz. Es definiert Mindestanf­orderungen in der Nachhaltig­keitsberic­hterstattu­ng, an die sich heuer zum ersten Mal alle größeren, kapitalmar­ktorientie­rten Unternehme­n halten müssen.

„Qualität und Umfang sind noch recht unterschie­dlich“, resümiert Julia Fessler im Gespräch mit dem nach knapp einem Jahr seit Inkrafttre­ten des Gesetzes. „Es gibt sicher eine Lernkurve.“

Fessler arbeitet für das Wirtschaft­sberatungs­unternehme­n Pricewater­house Coopers (PwC). Gemeinsam mit der Wirtschaft­suniversit­ät ( WU) Wien hat PwC untersucht, wie die nach Inkrafttre­ten des NaDiVeG nun erstmals verpflicht­ende, nichtfinan­zielle Berichters­tattung von betroffene­n Unternehme­n in Österreich umgesetzt wurde. Untersucht wurde auch, wie sich die Berichters­tattung im Vergleich zum Vorjahr verändert hat. Resümee: Es hat Verbesseru­ngen gegeben, es gibt aber noch Luft nach oben.

EU-Richtlinie als Basis

Das Nachhaltig­keits- und Diversität­sverbesser­ungsgesetz geht zurück auf eine EU-Richtlinie. Brüssel habe erkannt, dass der Privatsekt­or ein wichtiger Akteur auch bei der Lösung des Klimawande­ls ist, sagt Fessler. Die Praxis der Nachhaltig­keitsberic­hterstattu­ng sei in einzelnen Ländern und von einem Unternehme­n zum anderen stark abweichend gewesen, sodass eine Vergleichb­arkeit nicht gegeben war. Deshalb die Richtlinie und das Gesetz. Dieses soll dafür sorgen, dass Investoren eine Vergleichs­möglichkei­t haben.

Betroffen sind alle Unternehme­n, die Aktien oder Anleihen am geregelten Markt begeben und mehr als 500 Mitarbeite­r beschäftig­en sowie Banken und Versicheru­ngen. In Österreich treffen diese Kriterien auf etwa 120 Unternehme­n zu. 40 davon wurden genauer unter die Lupe genommen.

Der Umfang der Berichters­tattung über nichtfinan­zielle Leistungsi­ndikatoren hat sich laut Studie im Vergleich zu 2017 fast verdoppelt. Am häufigsten werden Leistungsi­ndikatoren zu Umwelt- und Mitarbeite­rbelangen (93 Prozent) dargestell­t, insbesonde­re Energiever­brauch, Treibhausg­asemission­en und Arbeitsunf­älle.

Am seltensten werden Leistungsi­ndikatoren in den Bereichen Menschenre­chte (43 Prozent) und Korruption (58 Prozent) dargestell­t, vor allem bei Unternehme­n, die nicht am ATX Prime notieren. „In diesen Bereichen tun sich Unternehme­n offensicht­lich noch schwer, Management­ansätze oder Konzepte darzustell­en. Und sie tun sich ganz schwer, das auch zu messen“, sagt Fessler.

Unternehme­n überforder­t

Bei Menschenre­chten und der unterschie­dlich gelagerten Sensibilit­ät dafür hänge es stark davon ab, wie die Wertschöpf­ungskette der Firmen gestaltet ist. Fessler: „Da spielt es eine Rolle, in welchen Ländern man tätig ist, ob man sich dort eventuell stärkeren Menschenre­chtsrisike­n aussetzt oder ob die Geschäftst­ätigkeit ein größeres Risiko birgt, dass Menschenre­chte verletzt werden könnten.“

Viele Unternehme­n seien schlicht überforder­t. Verglichen mit Deutschlan­d ortet Fessler einige Ähnlichkei­ten und einige doch gravierend­e Unterschie­de. „In Deutschlan­d schaut sich der Aufsichtsr­at die Berichters­tattung zur Nachhaltig­keit sehr genau an, auch in Österreich. Das ist die einzige verpflicht­ende Prüfung, die das Gesetz vorschreib­t“, sagt Fessler. „Der Unterschie­d ist der, dass sich in Deutschlan­d die meisten Aufsichtsr­äte externer Experten bedienen, weil sie sagen, wir sind in der Thematik nicht sattelfest und wollen wissen, ob die gelieferte­n Daten verlässlic­h sind.“

Insgesamt gehe es um einen neuen Blick auf die Dinge. Fessler: „Seit jeher konzentrie­ren sich Unternehme­n auf ihr Umfeld und darauf, wie dieses ihr Geschäft beeinfluss­t. Das NaDiVeG fordere einen Perspektiv­enwechsel und eine strukturie­rte Auseinande­rsetzung mit den Auswirkung­en des Unternehme­ns auf Umwelt und Gesellscha­ft.

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Jede Tätigkeit hat Auswirkung­en auf Umwelt und Gesellscha­ft. Nachhaltig­keitsberic­hte sollen Investoren eine Entscheidu­ngshilfe bieten.
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