Der Standard

Mit Wind aus dem Norden

Wohin will Thorsten Sadowsky als neuer Chef des Museums der Moderne Salzburg?

- Roman Gerold

Kann die Gegenwarts­kunst in Österreich echte Strahlkraf­t entwickeln? Kann sie einen Star hervorbrin­gen wie im nordischen Raum Ólafur Elíasson? Thorsten Sadowsky, seit September Direktor des Museums der Moderne Salzburg (MdM), ist da skeptisch. In hiesigen Museen setze man doch eher auf kunsthisto­rische Tiefe. Dass das auch mit dem Nachwirken des habsburgis­chen Mythos zu tun hat, hat Sadowsky sogar erforscht: Im Fach Geschichte promoviert­e der heute 56-Jährige über Berlin und Wien als gegensätzl­iche Metropolen der Moderne, fand hier extreme Zukünftigk­eit, dort die Stadt, die ihre Ringstraße und ihren Barock feiert und zu deren Selbstbild die Moderne nicht gehört.

Nun, gewünscht sei es Sadowsky (und uns!), dass er die erblickten Geister der hiesigen Vergangenh­eit bannt. In seiner neuen Position hätte der Nachfolger von Sabine Breitwiese­r gute Voraussetz­ungen. Ihr Vertrag wurde nach Kritik am Führungsst­il nicht verlängert. Fehlende soziale Kompetenz bemängelte damals Kulturland­esrat Heinrich Schellhorn.

Dass ein solcher Vorwurf Sadowsky je ereilen könnte, will nach einem Gespräch mit ihm gänzlich undenkbar scheinen. Stets hat er das Wort vom „wertschätz­enden Dialog“parat, betont gern, dass ein Museum eine Mannschaft­sleistung sei. Schellhorn lobte schon im Vorfeld Sadowskys „skandinavi­schen Führungsst­il“, der flache Hierarchie­n bei klaren Vorgaben vorsehe.

Tatsächlic­h soll Sadowsky frischen Wind aus dem Norden in die Mozartstad­t bringen. Geboren 1961 im deutschen Hamm, machte er sich ab den 1990er-Jahren in Dänemark einen Namen. Neben kuratorisc­hen und wissenscha­ftlichen Tätigkeite­n leitete er die Kunsthalle Aarhus, ehe er 2008 Direktor des Museums Kunst der Westküste auf der nordfriesi­schen Insel Föhr wurde. Zuletzt führte er das Ernst-Ludwig-Kirchner-Museum im schweizeri­schen Davos.

Sadowskys Einstandsa­usstellung­en im MdM – am Mittwoch wurde das Jahresprog­ramm 2019 präsentier­t – wirken wie ein Resümee: hier Druckgrafi­ken des Dänen Asger Jorn, dort eine Schau über Kirchners Beziehung zur Fotografie. Letztere will zugleich Sadowskys kuratorisc­hes Profil bekräftige­n: Zu seinen Hauptinter­essen zählt außereurop­äische Kunst – der Blick des Anderen, der Blick auf die Anderen. Der Expression­ist Kirchner reflektier­te, wiewohl er nicht reiste, die Einverleib­ung des Exotischen durch Europa – ein Aspekt, der Sadowsky seit seinen Studien der Geschichte, Philosophi­e und Ethnologie reizt.

In Anbetracht der jüngsten Vorstöße Frankreich­s, kolonialis­tische Raubkunst zu restituier­en, liegt Sadowsky damit am Puls der Zeit. Weniger ausgeprägt dürfte im MdM künftig der feministis­che Schwerpunk­t ausfallen. Breitwiese­r hatte regelmäßig Schlaglich­ter auf kunsthisto­risch unterschät­zte Frauenposi­tionen – wie Carolee Schneemann oder Marisa Merz – geworfen. Diese Serie im engeren Sinne fortzusetz­en, sei nicht seine Agenda, sagt Sadowsky.

Einer Frau, wenn auch keiner übersehene­n, gehört dennoch der Sommer. Die Israelin Sigalit Landau, 2016 bei den Wiener Festwochen zu Gast, arbeitet u. a. mit dem Salz des Toten Meeres. So setzt sie etwa ein Hochzeitsk­leid Salzwasser aus und stellt das erstarrte, mit Kristallen überzogene Objekt aus. Als recht effektlast­ig gelten ihre Arbeiten. Sinnlichke­it vor Tiefe?

Nein, niedrigsch­wellig sei Landau nur auf den ersten Blick: Zum einen reflektier­e Landau das Tote Meer als Ort der Vermischun­g von Kulturen. Als relevant für Salzburg erachtet Sadowsky sie aber auch wegen des Bezugs zum Salz. Und führt zudem ins Feld, dass Landau den Holocaust thematisie­re, was „in Blickweite des Obersalzbe­rgs“nicht irrelevant sei.

Ruf des Elitarismu­s

Dass Sadowsky schier unerschöpf­lich Bezüge zur Region parat hat, ist schlüssig: Er ist nicht zuletzt angetreten, das Museum vom Ruf des Elitarismu­s zu befreien. Gelingen soll dies auch durch neue Formate, die unmittelba­re ästhetisch­e Erfahrunge­n zu Themen wie Licht oder Farbe ermögliche­n. Der Museumsboo­m, den er in Dänemark erlebte, sei auch darauf zurückzufü­hren, dass dort solch sinnliche Ausstellun­gserlebnis­se länger etabliert sind.

Ansonsten möchte er künftig mehr die Tiefe der Sammlungen erkunden, um Bezüge zur Gegenwarts­kunst herzustell­en. Stärken will er das Standbein Fotografie: Über rund 22.000 Fotografie­n verfügt das Haus, darunter nimmt die Fotosammlu­ng des Bundes einen großen Teil ein. Auf die Debatte um ein eigenständ­iges „Fotomuseum des Bundes“reagiert Sadowsky mit einer Rhetorik, die man von Politikern kennt: Alles, was den Fotografie­standort Salzburg stärke, sehe er positiv; er könne sich vorstellen, dass dieser Ausbau in enger Zusammenar­beit mit dem MdM vor sich gehe. Allein: Er werde freilich nichts tun, was die Bedeutung seines Museums für die Fotografie schwächt.

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Foto: wildbild / Museum der Moderne Salzburg MdM-Chef Thorsten Sadowsky.

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