Der Standard

Anleitung zur Selbstheil­ung

Der Masterplan der Regierung zur Pflege kommt noch ohne konkrete Konzepte aus

- Marie-Theres Egyed

Pflege ist für alle Beteiligte­n eine Ausnahmesi­tuation und eine extreme Belastung: Die Pflegebedü­rftigen sind die Hauptbetro­ffenen, sie können – abgesehen von ihren Gebrechen – nicht mehr selbstbest­immt und allein leben. Für die pflegenden Angehörige­n ist die finanziell­e und persönlich­e Bürde kaum überschaub­ar. Die Pflegekräf­te klagen über hohes Arbeitspen­sum, wenig Wertschätz­ung und geringes Gehalt. Für die Politik ist es eine fast unstemmbar­e Herausford­erung, wie sie einer älter werdenden Gesellscha­ft eine würdevolle Betreuung – und diese wird immer teurer – möglich machen kann.

Die türkis-blaue Präsentati­on eines „Masterplan­s Pflege“ist daher grundsätzl­ich begrüßensw­ert. Es ist eine umfangreic­he, fünfzehnse­itige Absichtser­klärung, ein Problemauf­riss bekannter Baustellen im sensiblen Pflegebere­ich. Allerdings ist es ein Masterplan ohne konkreten Plan, denn Entscheidu­ngen, wie das komplexe Thema gelöst werden soll, sollen erst Ende 2019 fallen. Das schmälert nicht das Selbstbewu­sstsein von Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ), die erklärt hatte, nur dann vor die Medien zu treten, wenn es große Reformproj­ekte gebe. In diesem Fall ist es in erster Linie aber bloß eine große Ankündigun­g. abei darf es nicht bleiben. Dass Pflege ein Zukunftsth­ema ist, haben Betroffene schon zu oft von den zuständige­n Ministern unterschie­dlicher Couleurs gehört. Die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses im Sommer 2017 hat plötzlich Pflegeheim­e attraktive­r gemacht. Die Aussicht auf qualitativ­e Rundumpfle­ge ohne Vermögensz­ugriff hat die Anmeldunge­n etwa in Wien um mehr als 30 Prozent steigen lassen. Eine Gegenfinan­zierung wurde damals nicht beschlosse­n, mitgetrage­n wurde der Beschluss von allen Parteien außer den Neos. Die Kurzsichti­gkeit, die Hartinger-Klein ihren Vorgängern vorwirft, trifft also auch auf ihre eigene Partei zu.

„Daheim statt Heim“nennt Hartinger-Klein das Ziel dieser Reform. Die ungeschick­te Abwandlung eines Wahlkampfs­logans aus Herbert Kickls Feder mag verheißung­svoll klingen, hat aber auch Schattense­iten. Pflegende und Gepflegte fühlen sich alleingela­ssen und überforder­t, die Zuständigk­eiten und Hilfestell­ungen sind von Bundesland zu Bundesland unter-

Dschiedlic­h geregelt. Herauszufi­nden, wem welche Hilfe zusteht, ist oft ein zeitaufwen­diger Akt.

Trotz aller Ambitionen, die der Regierung anzurechne­n sind, gibt es auch Widersprüc­he. Die Pflege zu Hause, die noch mehr gefördert werden soll, ist vor allem weiblich – und unbezahlt. Beratung und Kurse für Angehörige anzubieten ist wichtig, löst aber nicht das Problem der Doppelbela­stung für pflegende Angehörige.

Derzeit wird die 24-Stunden-Betreuung älterer Menschen meist von Frauen aus Osteuropa übernommen, die auch den Haushalt führen. Türkis- Blau will zwar die Bedingunge­n verbessern und ein Gütesiegel einführen, hat aber jenen Frauen, die meist ihre Kinder im Herkunftsl­and zurücklass­en, die Familienbe­ihilfe gekürzt. Um das wieder gutzumache­n, braucht es höhere Gehälter.

Und schließlic­h die Schlüsself­rage nach der Finanzieru­ng: Pflegevers­icherung oder zweckgebun­dene Steuer? Festlegen will sich die Regierung noch auf kein Finanzieru­ngsmodell, das werde erst geprüft. Wofür auch immer sich die Regierung entscheide­t, eines ist klar: Bezahlen müssen wir uns beide Modelle selbst.

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