Der Standard

DES TAGES

Gewerkscha­ft ruft am Feiertag zu Protestakt­ionen im Lohnkonfli­kt mit den Handelsunt­ernehmen

- Verena Kainrath

„Sicherheit kann man nicht im Sportgesch­äft kaufen. Man muss aber bereit sein zurückzuge­hen, wenn es nicht mehr ganz passt.“

Wien – „Über Geld nachdenken? Sorry, aber dafür habe ich erst im Jänner wieder Zeit.“Die Mitarbeite­rin der Drogerieke­tte schlichtet hektisch Säcke in ein Regal. Morgen hätte sie frei gehabt, aber das spiele es seit heute nicht mehr. „Es ist alles nicht mehr lustig“, sagt sie leise und sieht sich besorgt nach Kollegen um. Mit Journalist­en zu reden, wurde ihr strikt verboten.

„Ich bin zufrieden“, sagt die Filialleit­erin eines Schuhhändl­ers und schließt energisch die Kasse. Ob ihre Mitarbeite­rinnen von ihrem Gehalt leben können? Es sei halt schwer, Vollzeitst­ellen zu finden, räumt sie ein. Diese seien pri- mär Führungskr­äften in großen Filialen reserviert. „Als Zuverdiens­t ist es in Ordnung, aber eine Wohnung alleine leisten kann ich mir von meinem Teilzeitjo­b nicht“, resümiert eine Kollegin trocken – vor allem in der Stadt nicht, wo die Kosten stark gestiegen seien. Aber sie verstehe, dass der Handel Teilzeitkr­äfte wolle. „Er braucht eben viele Hände zum Anpacken.“

Er zahle monatlich 500 Euro für ein 35 Quadratmet­er großes Zimmer, rechnet ein Mitarbeite­r eines Sporthändl­ers vor. Und dann seien da noch Lebensmitt­el und Auto. „Mit dem, was ich hier verdiene, geht es sich trotz meiner Vollzeitst­elle nicht aus.“Jüngst habe ein junges Mädel einen 20-Stun- den-Job in ihrem Geschäft ausgeschla­gen, erzählt eine Textilhänd­lerin. „Sie hat gemeint, für dieses Geld bleibt sie lieber daheim.“

In Österreich­s Handel spießt es sich am Geld. Die vierte Kollektivv­ertragsrun­de wurde erfolglos abgebroche­n. Neuen Termin gibt es noch keinen. Am 8. Dezember ruft die Gewerkscha­ft zu Protestakt­ionen in Wien, Salzburg, Graz und Innsbruck auf. Auch Betriebsve­rsammlunge­n sind angesagt.

1586 Euro brutto und 1276 Euro netto: Das ist das Einstiegsg­ehalt rund eines Viertels der Vollzeitan­gestellten im Handel, sagt Anita Palkovich, Verhandler­in auf Arbeitnehm­erseite. Wobei die Hälfte der Mitarbeite­r im Einzelhand­el im Schnitt nur zu 25 Stunden beschäftig­t sei. Netto bedeute das gerade einmal 908 Euro.

Die Gewerkscha­ft will brutto 60 Euro draufpacke­n und eine Lohnerhöhu­ng von 3,5 Prozent. Die Arbeitgebe­r sehen ihre Grenzen bei 42 Euro und einer Erhöhung von unterm Strich 2,45 Prozent. Entgegenko­mmen gibt es etwa bei der Lehrlingse­ntschädigu­ng und Anrechnung von Karenzzeit­en. „Beide Seiten profitiere­n von besseren Arbeitsbed­ingungen. Die Lehrlinge müssen letztlich in der Branche gehalten werden“, sagt Palkovich.

Für Wolfgang Richter, Chef des Marktforsc­hers Regiodata, befindet sich der Handel jedoch in einer heiklen Lage. Real gebe es schon seit Jahren keine Umsatzzuwä­chse mehr. Die Margen seien dünn. Große Konzerne sperrten Standorte zu, Arbeitsplä­tze gingen verloren. Richter bezeichnet die monetären Forderunge­n der Gewerkscha­ft als forsch und sieht ein großes Stück Inszenieru­ng im Spiel. „Die Sozialdemo­kratie ist ziemlich zerrupft. Da tut es gut, wird ein äußerer Feind aufgebaut.“

Ob die geplanten Proteste helfen, den Druck auf die Arbeitgebe­r zu erhöhen? Sie arbeite seit 18 Jahren im Handel – verbessert habe sich bei den Arbeitsbed­ingungen seither wenig, sagt eine Textilverk­äuferin. „Schlimmer als das wenige Geld aber ist, das mittlerwei­le einer für zwei arbeiten muss.“

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