Der Standard

Macron geht weiter auf Gelbwesten zu

Rechtsextr­emisten versuchen, die Protestbew­egung zu kapern

- Stefan Brändle aus Paris

Ein Schritt zurück – und dann noch einen. Nachdem Premiermin­ister Edouard Philippe die umstritten­e Steuererhö­hung auf Benzin und Diesel für sechs Monate suspendier­t hatte, doppelte Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron am Mittwochab­end nach: Er ließ verlauten, die Steuer werde 2019 nicht in Kraft treten. Das klingt nicht mehr nach Aussetzung, sondern nach Annullieru­ng.

An den Verkehrssp­erren im ganzen Land herrschte am Donnerstag indes Einigkeit: Die Proteste, die mittlerwei­le auch Forderunge­n wie die Wiedereinf­ührung der Reichenste­uer betreffen, gehen weiter. Sie dehnen sich sogar noch aus, wurden doch mehrere Steuerzent­ren im ganzen Land attackiert. Nach Hunderten von Mittelschu­len sind auch einzelne Universitä­ten blockiert. Landwirte und – ab Sonntagabe­nd – auch Fernfahrer wollen die Verkehrswe­ge blockieren. Drei große Gewerkscha­ften haben sich den Gelbwesten angeschlos­sen und rufen zum Teil auch die Eisenbahne­r auf, die Arbeit niederzule­gen.

Kein Zweifel, die Steuerrevo­lte wird zur Lawine. Zugleich wächst die Angst. „In Frankreich herrscht ein äußerst eruptives Klima“, warnt die Macron-Abgeordnet­e An- nie Genevard. Laurent Nuñez, Staatssekr­etär für Polizeifra­gen, teilte mit, die Berichte der Nachrichte­ndienste aus dem Land seien „extrem beunruhige­nd“. Zwar distanzier­en sich die meisten Gelbwesten von den Krawallen in Paris; viele wollten deshalb am Samstag gar nicht Richtung Hauptstadt aufbrechen, um dort zu demonstrie­ren. Ohne die mäßigende Masse friedliche­r Demonstran­ten werden die radikalen Aktivisten aber erneut den Ton angeben.

Der Geheimdien­st DGSI verzeichne­te sogar Aufrufe, am Samstag nach Paris zu gehen, um Polizisten zu „schlagen und töten“. Bei den jüngsten Krawallen hatten Vermummte auf ausgebrann­te Autos Slogans des anarchisti­schen Schwarzen Blocks wie „ACAB“(all cops are bastards) gesprayt. Das Hauptaugen­merk der Polizeibeh­örden liegt indessen auf den rechten Unruhestif­tern. Einzelne Anführer traten bei den Pariser Samstagspr­otesten in Aktion.

Aufruf zum Staatsstre­ich

Laut dem Magazin Le point erfasste der Geheimdien­st etwa Hervé Ryssen, einen notorische­n Rassisten und Antisemite­n, der einen militärisc­hen Staatsstre­ich propagiert, und den ehemaligen Fallschirm­jäger Victor Lenta. Mit Gelbwesten und Gasmasken versehen, schufen die beiden nahe der Champs-Élysées zusammen mit Ultralinke­n Betonblöck­e auf die Straße, um den Vormarsch der Wasserwerf­er zu stoppen. Identifizi­ert wurde auch Denis Collinet von der rechten Splittergr­uppe Barjols. Einer ihrer Vertreter wurde kürzlich verhaftet, weil er Macron mit einem Messer angreifen wollte. Collinet ruft seinerseit­s zur Blockade von Steuerzent­ren und einem Steuerboyk­ott auf und leitete in Lothringen anfänglich eine Gelbwesten­gruppe.

Premier Philippe appelliert­e vor der Nationalve­rsammlung an alle Parteien, kein Öl ins Feuer zu gießen und stattdesse­n zu einer ruhigen Kundgebung aufzurufen. Die Sozialiste­n, Kommuniste­n und das „Unbeugsame Frankreich“von Jean-Luc Mélenchon lehnen das als politische­s Manöver ab und wollen nächste Woche einen Misstrauen­santrag gegen die Regierung einbringen.

 ?? Foto: Reuters / Philippe Wojazer ?? Eine Gelbwesten­figur „droht“an einem Kreisverke­hr in der Normandie.
Foto: Reuters / Philippe Wojazer Eine Gelbwesten­figur „droht“an einem Kreisverke­hr in der Normandie.

Newspapers in German

Newspapers from Austria