Der Standard

Die Einzelfäll­e sind nicht gestrig

Einschlägi­ge Vorkommnis­se in der FPÖ sind auch ein Problem für die ÖVP

- Petra Stuiber

Das Verhältnis der FPÖ zu Neonazismu­s, Antisemiti­smus und Rechtsextr­emismus – eigentlich glaubt Heinz-Christian Strache, alles zu diesen Themen gesagt zu haben. Trotzdem hat sich der Vizekanzle­r und FPÖ-Chef einem Interview gestellt, bei dem es – auch – darum ging. Das muss man positiv anerkennen. Aus seiner Sicht ist alles klar – und wenn man sich seine großen öffentlich­en Auftritte ansieht, kann man das durchaus verstehen.

In seiner Festrede zum 100. Geburtstag der Republik betonte der Vizekanzle­r etwa die besondere Verantwort­ung Österreich­s sicherzust­ellen, dass sich die Verbrechen der NS-Zeit nie mehr wiederhole­n dürfen. Er mahnte ein, das Verbindend­e über das Trennende zu stellen, und er sagte, Freiheit, Unabhängig­keit und Frieden gelte es nur und ausschließ­lich mit demokratis­chen Mitteln sicherzust­ellen. Es war eine starke Rede.

Bereits auf dem umstritten­en Akademiker­ball Ende Jänner hatte Strache im Zuge der Liederbuch­affäre Udo Landbauer, den damaligen FPÖ-Spitzenkan­didaten für die Landtagswa­hl in Niederöste­rreich, verurteilt. „Es ist unsere Pflicht, klar Stellung zu beziehen gegen Antisemiti­smus, Rassismus und totalitäre­s Denken“, sagte er damals. Man kann darüber spekuliere­n, ob das auf Druck von Sebastian Kurz geschehen ist – immerhin war die türkis-blaue Koalition gerade erst angelobt worden. Jedenfalls hat Strache – aus seiner Sicht – seither immer wieder klar Stellung bezogen. Für ihn liegen die „Einzelfäll­e“, in denen FPÖ-Funktionär­e und/oder -Mandatare und/oder -Mitarbeite­r einschlägi­g auffällig geworden sind, in der Vergangenh­eit. em gegenüber steht aber die Liste der „Einzelfäll­e“, die

seit Regierungs­eintritt der FPÖ und der ersten einschlägi­gen Auffälligk­eit führt. Sie folgt keiner historisch­en Chronologi­e. Sie reicht bis in die Gegenwart, weiterhin werden auch aus FPÖ-Kreisen Signale an das rechtsextr­eme Lager gesandt – Signale, die jene verstehen, die sie verstehen sollen. Straches Problem ist nicht, dass sich seine Partei nicht von den Gräueln der Vergangenh­eit distanzier­t. Sein Problem sind jene einflussre­ichen Kreise in der FPÖ, die der Herrenrass­en-Ideologie noch immer anhängen – ob heimlich oder ganz offen. Es sind dieselben Kreise, die Jörg Haider und

DSusanne Riess-Passer loswerden wollten, nachdem die FPÖ Juniorpart­ner in der schwarz-blauen Regierung geworden war. Die damalige FPÖ zerbrach – nicht nur an Haiders Hybris, auch an diesen inneren Widersprüc­hen.

Das nationale Lager hob Strache damals auf den Schild. Nun tut er sich schwer, dieses Lager wieder abzuschütt­eln. Die Kräfte, die ihn halten, sind auch jene Kräfte, die an ihm zerren. Zudem ist Straches eigene Haltung widersprüc­hlich: Einerseits verurteilt er rechtsextr­eme Vorkommnis­se, anderersei­ts verteidigt er immer wieder FPÖler, die darin involviert sind. Dazu passt, dass die Durchleuch­tung der Burschensc­haften noch immer auf sich warten lässt.

Nicht nur für die FPÖ ist das ein Problem – auch die ÖVP wird in die Sache hineingezo­gen. Bundeskanz­ler Kurz schweigt zumeist zu den Einzelfäll­en der FPÖ. Der Begriff „Schweigeka­nzler“, gerade zum Unwort des Jahres gekürt, resultiert aus dieser neutralen Haltung, die eine Staatsvert­ragspartei im Grunde nicht einnehmen darf.

Ein würdiger Abschluss des Gedenkjahr­es 2018 wäre es, wenn sich die FPÖ diesen dunklen Seiten endlich stellen würde. Die Zeichen dafür stehen schlecht.

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