Der Standard

Europas leere Hände

- András Szigetvari

Als Emmanuel Macron vor kurzem gefragt wurde, welches Thema ihm europapoli­tisch derzeit am wichtigste­n erscheint, antwortete Frankreich­s Staatschef mit: die Einführung einer Digitalste­uer für IT-Konzerne. Das war überrasche­nd und erfrischen­d. Flüchtling­e und Brexit haben über die vergangene­n Monate die politische Debatte dominiert. Während die EU-27 bei diesen Themen inzwischen in eine Richtung steuert – alle plädieren für mehr Außengrenz­schutz und wollen Großbritan­nien kein Rosinenpic­ken erlauben –, gibt es andere Fragen von zentraler Bedeutung, wo kompletter Dissens herrscht.

Dazu gehört die Digitalste­uer. Diese Woche hat Macron eine herbe Niederlage einstecken müssen. Der Widerstand aus Irland, Dänemark und Deutschlan­d hat eine Einigung verhindert. Das ist sachpoliti­sch bitter.

Dass Unternehme­n wie Google, Facebook, Airbnb, Uber und Co eine extrem niedrige Körperscha­ftssteuer zahlen, ist wettbewerb­sverzerren­d, die lokalen Rivalen sind die Verlierer. Fatal ist aber zusätzlich das Signal, das die EU aussendet: Bei vielen Bürgern wird sich der Eindruck verfestige­n, dass die Union, wenn es um die effektive Besteuerun­g multinatio­naler Konzerne geht, null vorankommt.

Hinzu kommt, dass parallel die Finanztran­saktionsst­euer begraben wurde. Die Miniabgabe hätte das Finanzsyst­em stabiler gemacht. Millionen Transaktio­nen werden nur durchgefüh­rt, um schnelles Geld durch den Kauf und sofortigen Verkauf von Finanzpapi­eren zu machen. Diese Geschäfte hätte die Abgabe weniger attraktiv gemacht.

Die Chance, dass Europa zu einem globalen Vorreiter in der Steuerpoli­tik wird, hat die EU verspielt. Immerhin hat Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) versucht, die Digitalste­uer voranzubri­ngen. Sein Vorgänger im Amt hat um die Finanztran­saktionsst­euer hart gekämpft. Dass Europa hier nun mit leeren Händen dasteht, lag nicht an Österreich.

Newspapers in German

Newspapers from Austria