Faires Shoppen ist möglich, nervt aber
Die Modeindustrie steht in der Kritik. Sie verschmutze die Umwelt und achte zu wenig darauf, was in ihren Fabriken passiert. Einige Hersteller spielen da nicht mit und produzieren fair. Beim Einkaufen nicht nur auf Geschmack und Preis zu schauen ist zieml
In einer Stunde schließen die Läden, ich habe eigentlich keine Zeit und auch keine Lust, eine Hose brauche ich jetzt aber trotzdem. In den vergangenen Tagen habe ich über faire Mode gelesen, eine Bekannte hat mir Turek empfohlen, einen Laden auf der Mariahilfer Straße in Wien. Ich schaue rein, probiere eine, eine zweite, der Schnitt gefällt mir. 140 Euro!
Ich blicke mich um, die anderen sind noch teurer. Viel zu viel, denke ich mir – sonst kaufe ich Billigware bei H&M oder Zara. Ich mache es trotzdem. Bananen kaufen wir auch mit dem Fair-Trade-Siegel, warum also nicht auch Kleidung?
Ich bin konsequent, denke ich mir und fühle mich gut, bin aber auch unsicher, ob das gerade klug war. In den nächsten Wochen probiere ich mehr und mehr Läden aus, mich treibt die Frage um: Kann ich mich einfach und leistbar fair einkleiden?
Im Rahmen dieser Serie habe ich mich zuletzt mit der Textilindustrie auseinandergesetzt. Sie produziert großteils in Asien, die Bedingungen vor Ort sind für Menschen und Umwelt oft schrecklich, es sind aber immerhin Jobs, in armen Ländern nicht unwesentlich.
Weil aber NGOs die Öffentlichkeit über die schlechten Bedingungen und Unfälle informiert haben, ist mittlerweile eine gar nicht so kleine Gegenbewegung entstanden. In Linz fand im Oktober die Messe WearFair statt, die laut Eigenangabe 14.000 Menschen besuchten. 100 faire Modefirmen stellten aus.
Ich spreche mit Stefan Robbrecht-Roller, sein Job ist es, die Firmen für die Messe abzuklopfen. Wie weiß er, wer fair produziert? Ich habe schon viel gelesen, aber von den vielen Zertifikaten wurde mir schwindelig.
„Viele Modefirmen sagen, sie setzen sich ein. Man kann aber danach aussieben, wer sich extern prüfen lässt und wer nicht“, sagt er. Auf Siegelklarheit.de, einem Projekt der deutschen Bundesregierung, könne man das prüfen. Ein wichtiges Zertifikat, nach dem man Ausschau halten könne, sei GOTS (Global Organic Textile Standard). „Da sind die Standards sehr hoch, man hat faire Arbeitsbedingungen vom Anbau bis zur Verarbeitung. Viele Kleidungsfirmen, die es mit Nachhaltigkeit ernst nehmen, nehmen diese Zertifizierung. Die wichtigste Frage für uns ist, werden Gewerkschaften eingebunden?“, sagt er. „Dürfen sie unangekündigt kommen und prüfen?“
Ein Wegweiser durch den Dschungel
Vier Zertifikate seien zur Orientierung gut: GOTS und IVN Best, beide befassen sich mit ökologischen und sozialen Standards und vielen Schritten der Herstellung von Kleidung. Kleiner sind das EU Ecolabel, das sich nur auf ökologische Aspekte konzentriert, und Fair Trade Cotton, das sich nur auf die Herkunft der Baumwolle beschränkt. „Am Ende des Tages ist es kein lückenloses System“, sagt Robbrecht-Roller, „aber es ist das beste, das wir haben.“Jacinta FitzGerald, eine Beraterin für faire Mode, empfiehlt mir C2C, Cradle to Cradle, ein Zertifikat, das verlässlich und verbreitet ist.
Ich habe also ein paar Zertifikate im Kopf, die Expertinnen gut finden. Damit kann ich arbeiten. Die Hose, die ich gekauft habe, ist von Nudie Jeans, sie trägt das GOTS-Siegel. Immerhin. Ich gehe zu Zerum, einem kleinen schicken Laden in der Kirchengasse mitten in Wiens Bobo-Bezirk Neubau. Das Label verkauft nur faire Mode.
Ich gehe die Stiege hinauf, sehe eine sehr schöne Kapuzenweste, mein erster Blick gehört dem Preisschild – 150 Euro! –, dann dem Etikett, „gewebt in Götzis, Vorarlberg, bedruckt in Ungarn“. Ich gehe weiter, die T-Shirts kosten bis zu 40 Euro, ein Pullover 80 Euro, „Peta approved“steht darauf, wo und wie er hergestellt wurde, nicht. Ich frage nach. „All unsere Kleidung wird in Europa produziert“, sagt mir eine Verkäuferin. „Zerum will keine menschenunwürdige Produktion.“
Ich schlucke. Schon wieder. Seit ich mich mit dem Thema befasse, fällt mir das immer wieder auf: Zu- erst las ich in einem Magazin von einem Label, das wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in ärmeren Ländern nur noch in Europa produzieren lässt. Fashion-Bloggerinnen empfehlen lokal produzierte Ware, die deutsche Marke Trigema produziert nur in Deutschland und ist stolz darauf.
Kann das der Sinn der Sache sein, frage ich mich und verlasse den Laden. Für är- mere Länder ist der Textilsektor der perfekte Einstieg in die Industrialisierung. Am Beispiel Bangladeschs ist der positive Effekt, den ausländische Nachfrage hat, gut dokumentiert. Wenn ich keine Kleidung mehr kaufe, die in Bangladesch hergestellt wurde, geht es den Arbeiterinnen dann besser? Wohl kaum. Sie haben dann gar keinen Job mehr oder nehmen einen anderen an, der vielleicht noch schlechter ist.
Bewusst einzukaufen ist mühsam
Ich suche faire Mode, die in ärmeren Ländern produziert wird. Dass das gar nicht so einfach ist, habe ich in den vergangenen Wochen gelernt. Zwar finde ich in anderen Läden – Green Ground, online im Avocadostore – erschwinglichere Kleidung, die ich auch kaufe: ein T-Shirt für 20 Euro, eines für 30, einen verbilligten Hoodie für 35.
Bei Green Ground kaufe ich eine Hose für 109 Euro, das finde ich okay, zwei T-Shirts für 30 Euro, auch damit kann ich leben, eine Boxershort für 20 Euro, was mir viel zu teuer ist, ich brauche eigentlich mehrere, es ist die Einzige in meiner Größe. Bei H&M hätte ich dafür vier bekommen – und sie wären auch lagernd gewesen.
Nicht immer ist ersichtlich, wo sie produziert wurden. Nicht immer finde ich die Zertifikate, nach denen ich Ausschau halte. Manchmal google ich kurz, bin dann oft auch nicht viel schlauer, bewusst einkaufen ist mühsam, ich nehme die Kleidung dann trotzdem, weil ich mich nicht noch dreimal auf den Weg machen möchte, und frage mich, ob das jetzt irgendetwas gebracht hat oder ich gerade viel Geld nur für ein gutes Gewissen hingelegt habe.
Ich rufe Stefan Robbrecht-Roller noch einmal an, erzähle ihm, wie es mir ergangen ist. Ist es schwierig, faire Mode aus ärmeren Ländern zu finden? „Ich habe den Eindruck, dass viele versuchen, näher bei ihren Absatzmärkten zu produzieren“, sagt er. Das lasse sich besser kontrollieren. Dazu komme das Umweltargument, „bei Made in Europe sind die Transportwege kürzer“.
Die Logik der fairen Firmen
„Aber ja, natürlich brauchen auch ärmere Länder Jobs, es ist eine schwierige Diskussion – die Logik der fairen Firmen: Das Ökoargument zieht besser als das soziale.“
Ich seufze und beginne laut nachzudenken. „Immer gut einzukaufen scheint unmöglich. Ich kann mir Mühe geben, in bestimmte Geschäfte gehen, nach dem GOTSZertifikat suchen, dort nicht immer finden, was ich brauche, wenn ich in großen Läden einkaufe, nachfragen, wie sie produzieren.“
„Ich muss es selbst eingestehen“, sagt Robbrecht-Roller, „bei T-Shirts und Pullovern gelingt es mir, fair einzukaufen. Wenn man Spezielleres will, wird es kompliziert, schon bei kurzen Hosen mit Seitentaschen war es für mich schwierig.“
Wichtig sei es, sich Gedanken zu machen, so bewusst wie möglich zu handeln – und sich von den schnell wechselnden Trends der großen Ketten nicht beeinflussen zu lassen. Damit kann ich leben.
Ethischer Konsum ist schwierig, ganz ehrlich, er nervt auch ein bisschen – und ja, nicht jeder kann ihn sich leisten. Darüber nachzudenken, wo produziert wird, ist aber lehrreich. Ich versuche, künftig so gut wie möglich einzukaufen. Ist dann alles
gut?. Nein, aber vielleicht etwas besser. p Alle Quellen und weiterführende Links finden Sie auf dSt.at/alles-gut3; p Anmeldung zum Newsletter zur Serie: dSt.at/alles-gut-NL
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