Äthiopien ist geprägt vom Kampf um Ressourcen
2,7 Millionen Binnenvertriebene im Land – Große Hoffnung in neue Regierung
Vor einem halben Jahr endete das Leben, das sie kannte, abrupt. Dib und ihre acht Kinder mussten aus ihrem Heimatort in der äthiopischen Region Oromia flüchten. Es war am Beginn des Ramadan, als die Kämpfe ausbrachen. Ihr Mann konnte nicht mitkommen, er war zu krank für die Reise. Mittlerweile, so erzählten es ihr Nachkommende, ist er im Gefängnis. Und Dib lebt mit ihrer Familie im Camp Qoloji 2 in der benachbarten Region Somali. Nur etwa zehn Kilometer von ihrem früheren Zuhause entfernt. Zurückkehren ist keine Option, die Lebensgrundlage der Bauern existiert nicht mehr.
Dib und ihre Familie wurden wie alle Bewohner des Camps Qoloji 2 Opfer eines ethnischen Konflikts, der an der Grenze zwischen den äthiopischen Regionen Oromia und Somali immer wieder aufflammt. Es geht um die Verteilung von Ressourcen. Wenn eine Regenzeit ausfällt, gibt es einfach zu wenig für alle, erzählt ein Mitarbeiter des World Food Programme, das sich um die Versorgung im Camp kümmert und mit der Austrian Development Agency kooperiert. Geht es ums Überleben, dann werde die ehemals willkürlich gezogene Grenze plötzlich zum Problem. „Dann nimmt man von denen, von denen man glaubt, dass sie nicht hierhergehören.“
Neue Regionalregierung
In der Region Somali im Osten Äthiopiens lebt über ein Drittel der fast drei Millionen Binnenvertriebenen Äthiopiens. Sie sind derzeit auf 385 Camps in der Region aufgeteilt. In Äthiopien mit seinen 100 Millionen Einwohnern lebt damit weltweit die größte Anzahl der 40 Millionen Vertriebenen im eigenen Land.
Der frühere, despotisch regierende Regionalpräsident in der Somali-Region hatte die Situation auch noch dadurch verschärft, dass er die Grenzkonflikte zum Machterhalt instrumentalisierte. Umso höher sind jetzt die Erwartungen von Bevölkerung und Binnenvertriebenen an den neuen Regionalpräsidenten Mustafe Muhumad Omer. Er ist einer derjenigen Äthiopier aus der Diaspora, die Abiy Ahmed, der als Reformer gefeierte neue Premierminister des Landes, eingesetzt haben. Omer kennt die Probleme in seinem Land und der Region auch aus der Sicht der Uno. Er arbeitet lange Jahre für das Uno-Nothilfebüro OCHA.
Deshalb war die Begeisterung im Camp Qoloji 2 am Wochenende auch groß, als Omer mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der auf Ostafrikatour war, das Camp besuchte. „Lang lebe der Präsident“, skandierten die Bewohner. Von Omer erhoffen sie sich Resettlementprogramme, die ihnen eine neue Lebensgrundlage bieten könnten. Bis dahin bemühen sich internationale Organisationen um die Versorgung im Camp. Kurz sicherte dafür einen zusätzlichen Beitrag zu. Das in ganz Äthiopien tätige World Food Programme erhält für das Jahr 2019 1,5 Millionen Euro aus dem Budget des Landwirtschaftsministeriums. Die Reise kam mit teilweiser Unterstützung des Bundeskanzleramts zustande.