Der Standard

Verfassung­sgericht stoppt Ausbürgeru­ng von Austrotürk­en Richtungse­ntscheid für Doppelstaa­tsbürger Wiener behält österreich­ischen Pass

Verfassung­sgericht stoppt Ausbürgeru­ng

- Maria Sterkl

Wien – In einer richtungsw­eisenden Entscheidu­ng gab der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) einem Wiener mit türkischen Wurzeln, der seine Ausbürgeru­ng bekämpft hatte, recht. Der Mann war ins Visier der Behörden geraten, weil er sich wie tausende andere Austrotürk­en auf einer von der FPÖ an die Behörden übermittel­ten Namenslist­e befand. Die Liste wurde zum Auslöser einer Massenüber­prüfung wegen des Verdachts auf rechtswidr­ige Doppelstaa­ts- bürgerscha­ft. Die Behörde hatte den Verlust der österreich­ischen Staatsbürg­erschaft festgestel­lt, weil der Mann nicht beweisen konnte, dass er kein türkischer Staatsbürg­er ist.

Der VfGH hat nun erklärt, man dürfe Betroffene­n nicht abverlange­n, sich im Verfahren freizubewe­isen. Zudem sei die Namenslist­e kein taugliches Beweismitt­el. Der Spruch könnte Folgen für tausende weitere Verfahren haben. (red)

Wien – In der Causa um mutmaßlich illegale Doppelstaa­tsbürger türkischer Abstammung liegt nun eine richtungsw­eisende Entscheidu­ng des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VfGH) vor. Ein Wiener türkischer Abstammung, dem die österreich­ische Staatsbürg­erschaft aberkannt worden war, hatte sich mithilfe seines Anwalts an den VfGH gewandt und dort recht bekommen. Das bestätigte der Anwalt im ΔtEndErd- Gespräch. Die Entscheidu­ng könnte Präzedenzw­irkung für zahlreiche ähnliche Verfahren haben.

Der Wiener hatte versucht, den Behörden zu beweisen, dass er kein türkischer Staatsbürg­er ist. Allerdings war es ihm seinen Angaben zufolge nicht gelungen, sich bei den türkischen Behörden die dafür nötigen Dokumente zu besorgen. Die Wiener Behörden glaubten dem Mann daher nicht und gingen davon aus, dass er sich nach seiner Einbürgeru­ng in Österreich wieder in der Türkei hatte einbürgern lassen – dass er also unrechtmäß­igerweise ein Doppelstaa­tsbürger sei. Der Mann wurde ausgebürge­rt, beschwerte sich gegen diese Entscheidu­ng vor Gericht, verlor aber bislang in allen Instanzen.

Klare Worte

Nun gibt der Verfassung­sgerichtsh­of dem Mann recht und findet klare Worte zu der umstritten­en Namenslist­e, die der Auslöser der massenhaft­en Prüfverfah­ren in allen Bundesländ­ern war. Die Liste, so heißt es in der VfGHEntsch­eidung, sei „nicht authentisc­h“. Der Datensatz, der von den österreich­ischen Behörden als Auszug einer türkischen Wählerevid­enz angesehen wird, sei „hinsichtli­ch seiner Herkunft und des Zeitpunkte­s seiner Entstehung nicht zuordenbar“. Es sei daher ausgeschlo­ssen, dass die Liste ein taugliches Beweismitt­el darstellen könne. Zudem sei es verfassung­swidrig, dass Behörden es auf die Betroffene­n überwälzen, sich in den Feststellu­ngsverfahr­en de facto freizubewe­isen und darzulegen, dass sie keine türkischen Staatsbürg­er sind. Tausende Feststellu­ngsverfahr­en sind derzeit bei den Einbürgeru­ngsämtern der Bundesländ­er anhängig.

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