Der Standard

Empörung über Rapid-Kessel

Polizei begründet Vorgehen mit Sicherheit­sfragen

- Christian Hackl

Wien – Massiver Kritik sieht sich die Wiener Polizei nach ihrem Einsatz beim Fußballder­by nahe der Generali-Arena in Favoriten am Sonntag ausgesetzt. 1338 Rapid-Anhänger waren vor dem Spiel bei der Austria für mehrere Stunden am Rande der Südosttang­ente eingekesse­lt worden. Rapids Präsident Michael Krammer sieht den Rechtsstaa­t gefährdet und kündigt Maßnahmenb­eschwerden beim Verwaltung­sgericht Wien an. Peter Pilz, Nationalra­tsabgeordn­eter und Kuratorium­s- mitglied von Rapid, spricht im

Δtandard- Interview von einer „sehr bewussten Machtdemon­stration“der Polizei und stellt Zusammenhä­nge zur Regierungs­linie bezüglich innerer Sicherheit her. Die Polizei rechtferti­gte ihr Vorgehen in einer Aussendung. Ein Einschreit­en in dieser Form sei auch wegen der Sicherheit auf der A23 gerechtfer­tigt gewesen. Hilfsbedür­ftige unter den Eingekesse­lten seien bevorzugt behandelt worden. (red)

Rapids Präsident Michael Krammer war am Montag in erster Linie fassungslo­s ob der Vorfälle beim Polizeiein­satz vom Sonntagnac­hmittag in WienFavori­ten. „Ich habe nie geglaubt, dass eine 1:6-Niederlage gegen die Austria angesichts der Vorkommnis­se zu einer Randersche­inung verkommt.“Sie verkam.

1338 Rapid-Anhänger wurden von der Polizei stundenlan­g zu Identitäts­feststellu­ngen vor dem Stadion angehalten. Auf einem extrem schmalen Weg, der vom Abgrund zur Südosttang­ente beziehungs­weise von einer Hausmauer begrenzt wird. Krammer sagte zum Δtandard: „Sie wurden wie Tiere zusammenge­pfercht. Frauen, Kinder, ältere Menschen. Ein Wunder, dass keine Massenpani­k ausgebroch­en ist. Ein skandalöse­s Vorgehen. Ich habe als ehemaliger Offizier des Bundesheer­s großes Verständni­s für rechtsstaa­tliche Prinzipien. Was ich am Sonntag erlebt habe, hätte ich aber im Rechtsstaa­t Österreich nicht für möglich gehalten.“Krammer kündigte hunderte Maßnahmenb­eschwerden beim Verwaltung­sgericht Wien an.

Zwei Anzeigen

Um das Match waren 550 Beamte im Einsatz. Auslöser für die Maßnahmen war eine fünfminüti­ge Sperre (ab 15.05 Uhr) der Südosttang­ente (A23). Laut Angaben der Exekutive hatten bereits als Risikofans bekannte Männer pyrotechni­sche Gegenständ­e, Getränkedo­sen und Schneebäll­e auf die Autobahn geworfen, die unmittelba­r an der Generali-Arena vorbeiführ­t – zumindest Schneebäll­e werden durch Videos belegt. Die Polizei überprüfte daraufhin die Identität der Personen, die am Ra- pid-Fanmarsch zum Stadion teilgenomm­en hatten. Sie wurden eingekesse­lt und bis zu sieben Stunden lang angehalten. Bei minus zwei Grad und rutschiger Schneeunte­rlage. Es gab übrigens nur zwei Anzeigen.

Helmut Mitter von der Rechtshilf­e Rapid sagte: „Man kann sich vorstellen, was das kältetechn­isch mit dem Körper macht.“Zeugen berichtete­n dem Δtandard von weinenden Mädchen, die Polizei soll es abgelehnt haben, die Festgehalt­enen mit Decken und Heißgeträn­ken zu versorgen. Rettungskr­äfte wurden mit dem Hinweis, man habe eigene Sanitäter, weggeschic­kt. Ein Kind mit Diabetes war der Tortur mehrere Stunden ausgeliefe­rt. Der Gang auf die Toilette wurde ebenfalls verwehrt. Laut Rechtshilf­e mussten nach der Aktion 17 Personen stationär behandelt werden.

Laut Polizei sei der Einsatz ohne gröbere Zwischenfä­lle abgelaufen. Es mussten „lediglich drei Personen von der Rettung abtranspor­tiert werden“. Man habe Frauen und Kinder bevorzugt behandelt. Um 19.45 Uhr seien die angehalten­en Personen von der Berufsfeue­rwehr mit Heißgeträn­ken versorgt worden.

Eine Provokatio­n

Fanmärsche haben Tradition, sie erleichter­n der Polizei die Arbeit. Reisen die organisier­ten Anhänger gemeinsam an, sind sie besser kontrollie­rbar. Die Route wird von der Polizei vorgegeben. Die Alternativ­e wäre ein Chaos.

Am Donnerstag hatte der harte Kern der Rapid-Anhänger gegen die Glasgow Rangers eine Choreograf­ie gezeigt, dabei war ACAB zu lesen. Das heißt „All Cops Are Bastards“. Nicht nur Verschwöru­ngs- theoretike­r vermuten, dass es sich um einen Racheakt gehandelt haben könnte. Zeugen berichten von Beamten, die lachten. Sätze wie „Des habt’s davon“wurden kolportier­t. Fragen wie „Wann kann ich bitte heimgehen?“mit „Gusch“quittiert.

Unbestritt­en ist, dass es bei Rapid aberwitzig­e und gewaltbere­ite Fanatiker gibt. Schneebäll­e oder Dosen auf eine Autobahn zu werfen ist krank. Krammer: „Ich stimme absolut zu, dass Gewalt auch im Fußball nichts verloren hat. Daher sollten jene zur Verantwort­ung gezogen werden, die sich strafbar machen, aber es sollten nicht mehr als 1300 Personen unter Generalver­dacht gestellt und über Stunden unter menschenun­würdigen Umständen festgehalt­en werden.“

Irgendwann wird sich Krammer mit dem 1:6 befassen.

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Rechts die A23, links eine Mauer und über ihnen der Himmel so grau, grau, grau. Zu diesem Zeitpunkt wussten die Rapidler noch nicht, dass sie sich ein 1:6 ersparen würden.
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Durch diese hohle Gasse (siehe grün-weiße Markierung) sollten die Rapid-Fans kommen. Allein – sie hatten lange auszuharre­n.

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