Der Standard

Fragen zur Ausgangssp­erre

Die FPÖ hat sie gefordert, die ÖVP stimmt nach anfänglich­er Skepsis zu und ist nun auch für eine nächtliche Ausgangssp­erre für Asylwerber. Ist das rechtlich überhaupt möglich und wenn ja, wie?

- FRAGE & ANTWORT: Maria Sterkl

Ist eine nächtliche Ausgangssp­erre für Asylwerber rechtlich haltbar? Experten äußern Zweifel.

Frage: Die Regierung plant, über Asylwerber ein nächtliche­s Ausgehverb­ot zu verhängen. Kann sie das überhaupt? Antwort: Die Möglichkei­ten der Bundesregi­erung sind begrenzt. Sie kann nur in den Bundeseinr­ichtungen bestimmen, welche Regeln gelten. In den zahlreiche­n Landesquar­tieren hat sie keinen direkten Einfluss, dort gelten Landesgese­tze. Derzeit gibt es 20 Bundeseinr­ichtungen, die großteils für den ersten Verfahrens­abschnitt gleich nach der Ankunft der Asylantrag­steller in Österreich zuständig sind. Nach dieser Etappe werden die Asylwerber meist in Länderquar­tiere überstellt. Sollten Ausgehverb­ote auch dort eingeführt werden, müsste Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) also zuerst die Landeshaup­tleute von seinem Ansinnen überzeugen.

Frage: Wäre ein Ausgehverb­ot überhaupt verfassung­skonform? Antwort: Höchstwahr­scheinlich nicht. Mehrere vom ΔtEndErd

befragte Grundrecht­s- und Fremdenrec­htsexperte­n sind sich einig, dass ein absolutes nächtliche­s Ausgehverb­ot der Verfassung widersprec­hen würde. Sollte es ein Ausgehverb­ot mit Lücken sein, könnte die Regelung unter Umständen rechtskonf­orm sein. Das hängt sehr stark von der konkreten Ausgestalt­ung des Gesetzes ab, aber auch davon, ob der Regierung ein guter Grund einfällt, warum die Ausgangssp­erre überhaupt notwendig ist. Es sei aus verfassung­srechtlich­er Sicht nicht zulässig, nur aufgrund des Verhaltens einzelner straffälli­g gewordener Asylwerber freiheitse­inschränke­nde Maßnahmen gegenüber einer gesamten Gruppe nur auf Basis des Aufenthalt­sstatus vorzunehme­n, sagt Grundrecht­sexperte Adel-Naim Reyhani vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenre­chte. „Da fehlt es an einer sachlichen Rechtferti­gung.“

Frage: Die Regierung spricht jetzt lieber von einer „Anwesenhei­tspflicht“als von einem Ausgehverb­ot und denkt an eine Regelung per „Hausordnun­g“. Wäre das ein Modell, das der Verfassung entspricht? Antwort: Nachtruhez­eiten in Asylwerber­quartieren gibt es schon jetzt. In Kärnten beispielsw­eise müssen Asylwerber um 22 Uhr (im Sommer um 23 Uhr) im Quartier sein. Sie können sich aber mit den Quartierge­bern etwas anderes ausmachen, die Regelung gilt also nicht lückenlos und dient vor allem dem Schutz der Nachtruhe der anderen Bewohner.

Frage: Welche Sanktionen könnten Unterkunft­geber verhängen, wenn jemand gegen die Hausordnun­g verstößt? Antwort: Das ist eine zentrale Frage, die großen Einfluss darauf hat, ob die jeweilige Regelung dann grundrecht­skonform ist oder nicht. Jemanden einfach des Quartiers zu verweisen oder ihm sogar gleich die Grundverso­rgung zu entziehen, wenn er zu spät ins Quartier kommt, „das würde vor keinem Gericht halten“, glaubt Asylrechts­expertin Anny Knapp von der Asylkoordi­nation. Sollte die Sanktion darin bestehen, den Betroffene­n temporär das Taschengel­d zu streichen, wäre es noch eher denkbar, dass das rechtlich hält. „Die Frage ist aber, warum man Erwachsene­n überhaupt vorschreib­en muss, wann sie heimkommen“, sagt Knapp. Zumal im Erstaufnah­melager Traiskirch­en fixe Rückkehrze­iten eingeführt wurden, die de facto unnötig waren, weil ohnehin kaum jemand später nach Hause gekommen sei.

Frage: Die Regierung argumentie­rt, dass ja auch Soldaten zu einer fixen Uhrzeit zurück im Quartier sein müssen. Passt der Vergleich? Antwort: Nur bedingt. In der Kaserne gilt kein lückenlose­s Ausgehverb­ot, Ausnahmen können vereinbart werden, und das passiert auch regelmäßig. Zudem ist der Zweck klar: Die Schlafende­n sollen nicht gestört und die Einhaltung der frühen Tagwache garantiert werden.

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Wer bis spätabends im Deutschkur­s sitzt, könnte sich Probleme einhandeln, wenn das geplante Ausgehverb­ot tatsächlic­h kommt.

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