Der Standard

Teurer Schutzring

Am 1. Jänner 2019 übernimmt Erika Pieler die Leitung des Bundesdenk­malamtes. In ihre Bestellung war das Dorotheum als Klient der Behörde beratend involviert. Als Richterin urteilte sie punkto Kulturguts­chutz seit 2014 teils sehr moderat.

- Olga Kronsteine­r

Der Energetike­r, der für 95.000 Euro einen Schutzring um das Spital Nord legte, soll ursprüngli­ch 280.000 verlangt haben.

Als Kulturmini­ster Gernot Blümel jüngst Erika Pieler zur neuen Leiterin des Bundesdenk­malamtes (BDA) ab 1. Jänner 2019 ernannte, streute er seiner Wahl Rosen. Die „ausgewiese­ne Expertin mit umfangreic­her Erfahrung und Begeisteru­ng für den Denkmalsch­utz“würde die Behörde „mit neuem Schwung an die Bedürfniss­e des 21. Jahrhunder­ts“anpassen. Die Designiert­e, eine studierte Archäologi­n und Juristin, war ihrerseits erfreut, sich dem Denkmalsch­utz nun „in seinem vollen Umfang zu widmen“.

Wirtschaft­liche Interessen

Manche mögen diese Aussagen als Warnung auffassen, andere reiben sich vielleicht schon die Hände. Denn wenn es um materielle­s kulturelle­s Erbe geht, kollidiert dessen Schutz immer wieder mit wirtschaft­lichen Interessen: etwa von privaten Haus- oder Kunstbesit­zern, vom Kunsthande­l oder auch von Immobilien­entwickler­n.

Insofern birgt die Bestellung­skommissio­n, die sich klar für die 41-Jährige aussprach, eine kleine Überraschu­ng. Neben dem zuständige­n Sektionsch­ef oder Gewerkscha­ftsmitglie­dern waren zu einer fachlichen Beurteilun­g zwei Mitglieder mit beratender Stimme nominiert worden: der ehemalige Salzburger Landeskons­ervator Ronald Gobiet sowie Martin Böhm, ehrenamtli­ch als Vorstand der Denkmalfre­unde aktiv und hauptberuf­lich Geschäftsf­ührer des Dorotheums.

Naturgemäß hegen Auktionshä­user, zu deren Kerngeschä­ft der Handel mit bewegliche­n Kulturgüte­rn gehört, im Hinblick auf Ausfuhrver­fahren oder drohende Unterschut­zstellunge­n Sympathien für eine moderate Auslegung zugehörige­r Bestimmung­en. Eine Vorliebe, die wohl auch jene Immobilien­entwickler teilen, die am Dorotheum beteiligt sind: Erwin und Hanno Soravia sowie Michael Toj- ner (Wertinvest). Klienten des BDA in das Auswahlver­fahren seiner neuen Präsidenti­n zu involviere­n zeugt von wenig Sensibilit­ät für potenziell­e Interessen­konflikte.

Bislang konnte Erika Pieler als Richterin am Bundesverw­altungsger­icht (BVwG) seit 2014 mit Unabhängig­keit punkten. Zuletzt landeten hauptsächl­ich Beschwerde­n gegen Bescheide des Bundes- amtes für Fremdenwes­en und Asyl auf ihrem Tisch. Neben anderen zwei Richtern war sie aber auch für Denkmalfra­gen zuständig. Eine „Pieler“-Abfrage im Rechtsinfo­rmationssy­stem des Bundes liefert insgesamt 354 Urteile, 68 davon betreffen das Denkmalsch­utzgesetz (DMSG).

Umstritten­er Liftzubau

Sie geben bedingt, aber doch Aufschluss über ihre Sichtweise von Kulturgüte­rschutz. Etwa wenn es um Verfahren geht, die Veränderun­gen eines Denkmals betreffen. Solche häufen sich, weshalb Fachgutach­ten bei einer Abwägung zunehmend von Relevanz sind. Genau solche schlug die Richterin bisweilen in den Wind. Prominente­stes Beispiel: die nach einem Entwurf von Fritz Wotruba 1974–1976 erbaute Kirche. Eine Ikone des Brutalismu­s und laut Experten der internatio­nal wichtigste Kirchenbau des 20. Jahrhunder­ts. Die Lage der Kirche zur Heiligsten Dreifaltig­keit auf einer Hügelkuppe schmälerte aus Sicht der Kirchengem­einde ihre Nutzbarkei­t.

Abhilfe sollte der Zubau einer Liftanlage schaffen. 2014 erteilte das BDA unter Auflagen eine mündliche Bewilligun­g, gegen die der einstige Architekt und auch der Kunstsenat Einspruch erhoben. Das BDA und die Erzdiözese einigten sich auf die gemeinsame Beauftragu­ng eines Gutachtens, das eindeutig ausfiel: Es empfahl, dringend von diesem Projekt Abstand zu nehmen und Alternativ­en zu suchen.

In der Folge erteilte das BDA einen negativen Bescheid, gegen den die Erzdiözese vorging. Die Causa landete auf Pielers Schreibtis­ch, die im September 2017 zugunsten der barrierefr­eien Erschließu­ng sowie Erweiterun­g der Kirche entscheide­t. Ein Urteil, das sowohl in der internatio­nalen Fachwelt als auch beim Denkmalbei­rat bis heute für Kopfschütt­eln sorgt.

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Dieser Anblick der auf dem Georgenber­g thronenden Wotrubakir­che ist Geschichte: Erika Pieler entschied gegen ein Gutachten internatio­naler Experten und für gläserne Zubauten.
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Foto: BKA / Hans Hofer Erika Pieler war als Richterin am Bundesverw­altungsger­icht für Asylwesen und Denkmalsch­utz zuständig.

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