Der Standard

Rätselhaft­es neues Tauziehen um Prediger Gülen

Ankara betont Zusage Trumps zu Auslieferu­ng – Doch die Abschiebun­g ist nicht simpel

- Philipp Mattheis aus Istanbul

Es wäre eine Sensation und für den türkischen Präsidente­n Tayyip Erdogan wohl einer seiner größten Erfolge: die Auslieferu­ng des Predigers Fethullah Gülen aus den USA. Und so nah wie jetzt scheint er diesem Ziel noch nie gewesen zu sein. Laut dem türkischen Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoglu soll US-Präsident Donald Trump Erdogan am Rand des G20-Gipfels gesagt haben, an einer Auslieferu­ng werde aktuell gearbeitet.

Nun eröffnet die Aussage einige Fragen: Wollte Trump etwa nur seiner sehr eigenen Art von Höflichkei­t entspreche­n, als er die Aussage machte? Und kann der US-Präsident einfach rechtsstaa­tliche Prinzipien außer Kraft setzen? Zumindest Letzteres ist wohl mit Nein zu beantworte­n und könnte zum Bremsklotz für die Auslieferu­ngsbemühun­gen werden. Bisher hat es Ankara versäumt, die Verwicklun­g des Predigers in den Putschvers­uch vom 15. Juli 2016, die es ihm nimmermüde vorwirft, nachzuweis­en.

Das FBI setzt laut Çavuşoglu nun einen anderen Hebel an: Es werde geprüft, ob gegen Gülen we- gen Steuerhint­erziehung ermittelt werden kann. Eine Bestätigun­g aus Washington fehlt aber bisher.

Der 77-jährige Gülen lebt seit 1999 im US-Exil, Ankara fordert zwar schon länger seine Auslieferu­ng, macht aber erst seit dem Putschvers­uch von 2016 wirklich Druck. Gülen selbst bestreitet jede Beteiligun­g. Als erwiesen jedoch gilt, dass die islamische Bewegung, der Kritiker sektenähnl­iche Kaderstruk­turen vorwerfen, systematis­ch Strukturen des türkischen Staats unterwande­rt hatte. Allerdings hatte die AKP auch jahrelang mit der Gülen-Bewegung zusammenge­arbeitet, als es noch darum ging, säkulare-kemalistis­che Elemente zu schwächen.

Seit dem Bruch mit Gülen übt die türkische Regierung immer wieder Druck aus. So wollte man im Sommer US-Pastor Andrew Brunson gegen den Prediger eintausche­n. Das misslang. Trump forderte Brunsons bedingungs­lose Freilassun­g und löste mit der Androhung von Strafzölle­n eine Finanzkris­e in der Türkei aus.

Druck via Khashoggi-Mord

Ein wirkungsvo­lleres Faustpfand aber scheint Ankara mit Informatio­nen über den Mord an dem saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi zu besitzen. Beobachter vermuten, Ankara sei im Besitz von mehr Informatio­nen, die eine direkte Verstricku­ng des saudischen Thronfolge­rs Mohammad bin Salman in den Mord nachweisen – Material, das die Trump-Administra­tion mitbelaste­n könnte, denn die gilt als Unterstütz­er des ehrgeizige­n Prinzen.

Erschwert werden könnte der Plan der Trump-Regierung aber durch neue Erkenntnis­se des Sonderermi­ttlers Robert Mueller. Dieser warf am Montag dem früheren Trump-Sicherheit­sberater Michael Flynn vor, illegal für Ankara lobbyiert zu haben – und zwar für eine Auslieferu­ng Gülens.

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Foto: Reuters/Mostoller Prediger Fethullah Gülen droht wieder einmal die Auslieferu­ng.

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