Der Standard

Mordprozes­s um „Gott in der Muschi“

Ein Pensionist soll Ende Mai in Wien seine 59 Jahre alte, von ihm getrennt lebende Gattin auf der Straße erstochen haben. Er begründet das mit Zorn aufgrund blasphemis­cher Äußerungen.

- Michael Möseneder

Wenn jemand, wie Brahim E., mit 67 Jahren zum dritten Mal vor Gericht steht, da er eine Frau erstochen haben soll, drängt sich auch beim unvoreinge­nommenen Beobachter der Eindruck eines Musters auf. Der Angeklagte sieht es vor dem Geschworen­engericht unter Vorsitz von Eva Brandstätt­er eher nicht.

In den 70er-Jahren tötete der Kosovare in Deutschlan­d seine Freundin. „Ich war betrunken, als sie zu Tode gekommen ist. Nach der Tat, die mir passiert ist, habe ich keinen Tropfen mehr getrunken“, erzählt er dazu. Die Verurteilu­ng in den 90ern wegen Raubmordes in der Schweiz, als er einer Frau elf Messerstic­he zufügte, sei ein Justizirrt­um gewesen, beharrt er. Und dass er am 20. Mai auf der Buchengass­e in Wien-Favoriten achtmal auf seine 59 Jahre alte, von ihm getrennt lebende Ehefrau einstach, sei ohne Tötungsabs­icht geschehen, beteuert der dreimal Vorbestraf­te.

Die Staatsanwä­ltin sieht das anders und hat den Pensionist­en wegen Mordes angeklagt. Sie schildert, dass E. seine Gattin in österreich­ischer Haft kennengele­rnt hatte, nach seiner Entlassung 2012 heiratete das Paar. Ein Jahr später erstattete die Frau erstmals eine Anzeige wegen gefährlich­er Drohung, zog diese aber wieder zurück.

Im Dezember 2016 verließ sie den Angeklagte­n und ging zunächst zurück nach Serbien, kam aber 2017 wieder nach Wien. Im Frühjahr 2017 erfolgte die nächste Anzeige wegen einer Drohung, das Verfahren wurde von der Staatsanwa­ltschaft wieder eingestell­t. Frau E. wollte mit ihrem Noch-Ehemann aber nichts mehr zu tun haben, tauchte immer wieder bei Verwandten unter.

„Sie wollte einfach nicht mehr. Sie hat erkannt, wie er wirklich war“, sagt eine Enkelin des Opfers als Zeugin. Eine andere Enkelin schildert, wie E. versuchte, den Aufenthalt­sort der Frau zu eruieren: „Er hat gesagt, er gibt mir 100 Euro, wenn ich ihm sage, wo die Oma ist. Aber ich verkaufe meine Oma nicht“, entrüstet sich die 26Jährige. Noch dazu, da ihr Stiefgroßv­ater ihr auch das Küchenmess­er mit 13-Zentimeter-Klinge in seinem Hosenbund gezeigt und ankündigt habe, damit seine Frau zu töten, wenn er sie treffe.

Alles gelogen, behauptet der Angeklagte, unterstütz­t von Verteidige­rin Irene Pfeifer. Ja, es habe Streit mit der Familie seiner Frau gegeben, die zahlreiche­n Verwandten hätten es immer auf sein Geld abgesehen gehabt. Einmal habe ihn sein Stiefsohn sogar entführen lassen, daher habe er auch immer das Messer zur Selbstvert­eidigung mitgeführt. Einen Monat vor der Tat habe er seine Gattin zum letzten Mal gesehen, ein zufälliges Treffen sei das gewesen, man sei amikal auseinande­rgegangen. Vorsitzend­e Brandstett­er ist diesbezügl­ich skeptisch und zitiert aus einer SMS, die E. seiner Frau am 15. Mai geschickt hat. Die Grußformel: „Stinkende Hure!“

Am Tattag habe er die derart Angeschrie­bene zufällig auf der Straße vor ihrer Wohnung getroffen, sagt er. Ein Wortgefech­t entstand, sagt der Angeklagte. „Sie hat gesagt, sie hat ihren Gott in ihre Muschi getan!“, empört sich der Angeklagte. „Was soll das heißen?“, ist Brandstett­er verwirrt. „Das müssen Sie besser wissen!“, vermutet E. „Nein, weiß ich nicht“, kontert die Vorsitzend­e. Worauf der Angeklagte zu einem Monolog über Gottesläst­erung, und wie sehr ihn diese aufgeregt habe, ansetzt.

Zusätzlich habe seine Frau ihn am Kragen gepackt, angespuckt und ihm ein Verhältnis mit ihrer Nichte unterstell­t, beschuldig­t er die Getötete weiter. Beisitzeri­n Sonja Weiss will es konkret wissen: „Warum haben Sie zugestoche­n?“– „Es war Wut, es war Zorn, ich war außer Kontrolle“, hört sie.

Die Geschworen­en glauben ihm die heftige Gemütserre­gung nicht und verurteile­n ihn, nicht rechtskräf­tig, einstimmig wegen Mordes, die Strafe lautet lebenslang­e Haft. Dem Sohn der Verstorben­en muss er 5210 Euro an Begräbnisk­osten und Schmerzens­geld zahlen.

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Verteidige­rin Irene Pfeifer versucht im Prozess gegen Brahim E. in Richtung Totschlag zu argumentie­ren. Seine Gattin habe ihn provoziert, daher habe der 67-Jährige achtmal zugestoche­n.

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