Mordprozess um „Gott in der Muschi“
Ein Pensionist soll Ende Mai in Wien seine 59 Jahre alte, von ihm getrennt lebende Gattin auf der Straße erstochen haben. Er begründet das mit Zorn aufgrund blasphemischer Äußerungen.
Wenn jemand, wie Brahim E., mit 67 Jahren zum dritten Mal vor Gericht steht, da er eine Frau erstochen haben soll, drängt sich auch beim unvoreingenommenen Beobachter der Eindruck eines Musters auf. Der Angeklagte sieht es vor dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Eva Brandstätter eher nicht.
In den 70er-Jahren tötete der Kosovare in Deutschland seine Freundin. „Ich war betrunken, als sie zu Tode gekommen ist. Nach der Tat, die mir passiert ist, habe ich keinen Tropfen mehr getrunken“, erzählt er dazu. Die Verurteilung in den 90ern wegen Raubmordes in der Schweiz, als er einer Frau elf Messerstiche zufügte, sei ein Justizirrtum gewesen, beharrt er. Und dass er am 20. Mai auf der Buchengasse in Wien-Favoriten achtmal auf seine 59 Jahre alte, von ihm getrennt lebende Ehefrau einstach, sei ohne Tötungsabsicht geschehen, beteuert der dreimal Vorbestrafte.
Die Staatsanwältin sieht das anders und hat den Pensionisten wegen Mordes angeklagt. Sie schildert, dass E. seine Gattin in österreichischer Haft kennengelernt hatte, nach seiner Entlassung 2012 heiratete das Paar. Ein Jahr später erstattete die Frau erstmals eine Anzeige wegen gefährlicher Drohung, zog diese aber wieder zurück.
Im Dezember 2016 verließ sie den Angeklagten und ging zunächst zurück nach Serbien, kam aber 2017 wieder nach Wien. Im Frühjahr 2017 erfolgte die nächste Anzeige wegen einer Drohung, das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft wieder eingestellt. Frau E. wollte mit ihrem Noch-Ehemann aber nichts mehr zu tun haben, tauchte immer wieder bei Verwandten unter.
„Sie wollte einfach nicht mehr. Sie hat erkannt, wie er wirklich war“, sagt eine Enkelin des Opfers als Zeugin. Eine andere Enkelin schildert, wie E. versuchte, den Aufenthaltsort der Frau zu eruieren: „Er hat gesagt, er gibt mir 100 Euro, wenn ich ihm sage, wo die Oma ist. Aber ich verkaufe meine Oma nicht“, entrüstet sich die 26Jährige. Noch dazu, da ihr Stiefgroßvater ihr auch das Küchenmesser mit 13-Zentimeter-Klinge in seinem Hosenbund gezeigt und ankündigt habe, damit seine Frau zu töten, wenn er sie treffe.
Alles gelogen, behauptet der Angeklagte, unterstützt von Verteidigerin Irene Pfeifer. Ja, es habe Streit mit der Familie seiner Frau gegeben, die zahlreichen Verwandten hätten es immer auf sein Geld abgesehen gehabt. Einmal habe ihn sein Stiefsohn sogar entführen lassen, daher habe er auch immer das Messer zur Selbstverteidigung mitgeführt. Einen Monat vor der Tat habe er seine Gattin zum letzten Mal gesehen, ein zufälliges Treffen sei das gewesen, man sei amikal auseinandergegangen. Vorsitzende Brandstetter ist diesbezüglich skeptisch und zitiert aus einer SMS, die E. seiner Frau am 15. Mai geschickt hat. Die Grußformel: „Stinkende Hure!“
Am Tattag habe er die derart Angeschriebene zufällig auf der Straße vor ihrer Wohnung getroffen, sagt er. Ein Wortgefecht entstand, sagt der Angeklagte. „Sie hat gesagt, sie hat ihren Gott in ihre Muschi getan!“, empört sich der Angeklagte. „Was soll das heißen?“, ist Brandstetter verwirrt. „Das müssen Sie besser wissen!“, vermutet E. „Nein, weiß ich nicht“, kontert die Vorsitzende. Worauf der Angeklagte zu einem Monolog über Gotteslästerung, und wie sehr ihn diese aufgeregt habe, ansetzt.
Zusätzlich habe seine Frau ihn am Kragen gepackt, angespuckt und ihm ein Verhältnis mit ihrer Nichte unterstellt, beschuldigt er die Getötete weiter. Beisitzerin Sonja Weiss will es konkret wissen: „Warum haben Sie zugestochen?“– „Es war Wut, es war Zorn, ich war außer Kontrolle“, hört sie.
Die Geschworenen glauben ihm die heftige Gemütserregung nicht und verurteilen ihn, nicht rechtskräftig, einstimmig wegen Mordes, die Strafe lautet lebenslange Haft. Dem Sohn der Verstorbenen muss er 5210 Euro an Begräbniskosten und Schmerzensgeld zahlen.