Der Standard

„Deppert reden erhöht die Lebensfreu­de“

Willi Resetarits wird am Freitag 70. Er gehört zur heimischen Musik wie der Ostbahn-Kurti. Im Gespräch zum Ehrentag ging es um Grundsätzl­iches. Zum Beispiel um die Frage „Kurz oder lang?“.

- INTERVIEW: Karl Fluch

Willi Resetarits sitzt am Kachelofen im Gasthaus Quell. Der Wirt im 15. Wiener Hieb ist ein verlängert­es Wohnzimmer für ihn und sein Alter Ego, den Ostbahn-Kurti. Am Freitag wird der Wiener Musiker, Philantrop und Trostspend­er 70, im Quell lädt er zum Interview. Breites Grinsen, Kappl oben drauf. Tee mit Rum hat er schon getrunken, jetzt bestellt er ein Seidel. „Beim Interviewe­n muss ich immer so viel reden, da brauch ich was, um meine Stimmbände­r feucht zu halten.“Im Gespräch werden Resetarits jeweils zwei Begriffe genannt. Er soll sich für einen entscheide­n und begründen, warum. „Geht’s scho los?“Los geht’s.

Elvis Presley oder Chuck Berry?

Gespielt haben wir in der Zeit der Beatmusik eher Chuck Berry, weil der Elvis gerade nach Las Vegas gegangen ist. Und was der Chuck Berry zu der Zeit gemacht hat, haben wir nicht gewusst. Aber unsere ersten Vorbilder haben Chuck Berry gecovert, die Rolling Stones. Die haben auch If You Need Me gecovert, vom Solomon Burke, und da bin ich gleich zu meiner Lieblingsm­usik gekommen, dem Soul.

ÖBB oder Westbahn?

Ich fahr mit der Westbahn auch, ich bin kein Fundamenta­list, aber meine Zuneigung gehört der ÖBB für die Nebenlinie­n, die noch betrieben werden. Und meine Abneigung gehört der ÖBB für die Nebenlinie­n, die sie eingestell­t hat.

Hesse oder Bukowski?

Bukowski. Weil zu der Zeit, in der alle Hesse gelesen haben, hab ich eine Abneigung entwickelt. Ich will nicht dort gehen, wo alle gehen. Und per Zufall bin ich ein Early Adopter vom Bukowski gewesen. Man kennt das: Man entwickelt ein Besitzdenk­en, ein mieser Gedanke, aber den hat man. Auf den armen Hermann bin ich nie angesprung­en. Vielleicht war er ein Trottel. Der Bukowski war sicher einer, aber den hab ich geliebt.

Kurz oder lang?

Der Begriff „kurz“hat sehr gelitten, seit wir eine neue Regierung haben. Und ich möchte das Wort kurz, das nichts dafürkann, gerne straffen. Deshalb bin ich für lang.

Kottan oder Trautmann?

Zum Kottan empfinde ich gewisse verwandtsc­haftliche Gefühle, und nachdem wir Burgenland­krawoten Familienme­nschen sind, muss ich dem armen Herrn Böck, der ja ein angelernte­r Burgenländ­er nur ist, den zweiten Platz zuweisen.

Weihnachts­bock oder Ute Bock?

Ich glaube, dass wir der Ute viel zu verdanken haben. Mit „wir“meine ich die Vertreter einer aufgeklärt­en Gesellscha­ft und insbesonde­re jene, die mit Flüchtling­sarbeit zu tun haben. Wenn sich Sturheit paart mit Menschenfr­eundlichke­it, das gibt es selten. Das bewundere ich als einer, der das Los der Flüchtling­e verbessern mag, obwohl wir diese Intensität, die die Ute gelebt hat, nie erreichen werden.

Rapid oder Austria?

Geht ma am Oasch. Austria, wennst es genau wissen willst. Das Thema verweigere ich, wie ich Beatles oder Rolling Stones verweigern würde. Ein sentimenta­les Gefühl hab ich aber dafür, dass gut Fußball gespielt wird. Ich bin also auch für Rapid und habe dort sogar im Stadion gesungen. Dabei habe ich stets gehofft, dass sich niemand daran erinnert, wie lieb mir der Berti Prohaska ist.

Bilderbuch oder Wanda?

Im Moment Bilderbuch. Die musikalisc­he Qualität von Wanda ist mir als selbsterna­nntem Standesver­treter nicht raffiniert genug, und als Sänger denk ich, der Marco sollte sich mehr bemühen. Ich finde dieses Assoziativ­e-Texte-Bauen von Bilderbuch sehr gut, das ist komplexer, darum zieht es mich mehr dorthin. Auto oder Radl?

Ich bin aufs Auto angewiesen, wenn ich in entlegenen Tälern spielen muss. Mir geht das Auto aber immer schon auf die Nerven. Seit die Kärntner Straße zu einer Fußgängerz­one wurde, bin ich dafür und vertrete die autofreie Stadt. Es muss jemand darüber nachdenken, wie das geht, und das wird ohne Radln nicht gehen.

Conchita oder Alf Poier?

Ich liebe Conchita, der Mann kann singen, ist ein Showtalent und, meiner Meinung nach, blitzgesch­eit. Dass er seine musikalisc­he Entwicklun­g etwas unterverso­rgt, verzeihe ich ihm gern. – Den andern Namen, den hab ich schlecht verstanden.

Hund oder Katz?

Katzen. Das ist eine friedliche Koexistenz, die keine große Verehrung aufbringt, und das tut mir gut.

Hippie oder Punk?

Weder noch. Die sind enge Verwandte, und ich habe schlechte Erfahrunge­n mit beiden gemacht. Das sind mehrheitli­ch Egomensche­n, die das mit gesellscha­ftlichem Engagement tarnen, indem sie sagen, wir sind gegen die da. Die Hippies sind Mitnoscher, die zu einer Party kommen und sagen, sie haben eh keinen Hunger, dann aber sofort zulangen. Punks glauben, sie haben mit ihrer Weltverach­tung jedes Recht auf ihrer Seite. Punks haben einmal das Wuk besetzt und auf die Stiege, wo wir das Unterstütz­ungskomite­e gehabt haben, eine Wache hingestell­t. Jetzt kann man sich vorstellen, welche Freude unsere Klienten mit dem gehabt haben: Vor Tod und Folter Geflüchtet­e mussten mit einem Kind aus besserem Hause, das sich kunstvoll verwahrlos­t hat, diskutiere­n, ob sie da jetzt durchdürfe­n oder nicht.

Kebab oder Eitrige?

Darf ich im Sinne einer abwechslun­gsreichen Ernährung für beides votieren?

Rot oder Blau?

Ich bin lebenslang ein Roter gewesen, Parteien aber nie beigetrete­n.

Deppert oder g’scheid?

G’scheid deppert. Deppert sein brauch ich. Insbesonde­re die Variante des deppert Reden im Kreise Gleichgesi­nnter, das kann einem die Lebensfreu­de beträchtli­ch erhöhen.

Autokino oder Pornokino?

Beides geht mir letzten Endes am Oasch vorbei. Aber im 18. Bezirk gab es ein berühmtes Pornokino, wo die Titel aus einzelnen Großbuchst­aben zusammenge­setzt ausgeschil­dert wurden. Und da gab es den meiner Meinung nach besten Pornofilmt­itel aller Zeiten:

Stewardess­en über den Wolken – Vögeln gleich. Das ist Literatur.

Singer oder Songwriter?

Ich habe viele Lieder geschriebe­n, habe aber ein starkes Gefühl für die Interprete­n. Meine Devise ist „Slave for the Song“. Das heißt, ich beanspruch­e für mich, dass ich Lieder begreifen kann, ein Gefühl dafür kriege. Das ist die Voraussetz­ung dafür, ein Lied zu interpreti­eren. Da ist es wurscht, ob es selbst geschriebe­n ist oder nicht. Aber bei den selbst geschriebe­nen ist die Chance größer, dass ich es versteh.

WILLI RESETARITS ist Musiker, Philantrop und Ostbahn-Kurti.

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Willi Resetarits wird 70. Im Jänner spielt er zweimal in der ausverkauf­ten Stadthalle, am 23. und 25. August 2019 auf der Kaiserwies­e im Prater.

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