Bodenständig vor und nach dem Anschluss
Von Max Weiler bis Ernst Nepo: Eine Ausstellung im Ferdinandeum Tirol legt Versäumnisse in der Aufarbeitung von NS-Kunst offen
Das karge Leben spricht aus den Gesichtern jener 15köpfigen Osttiroler Bauernfamilie, die Max Weiler 1941 vor düsterem Hintergrund porträtiert hatte. Es gab in den von der Gauleitung Tirol-Vorarlberg regelmäßig organisierten Innsbrucker „Gau-Kunstausstellungen“gewiss glattgebügeltere Blicke auf das bäuerliche Leben und schlechter gemalte: Man muss in der Schau über Kunst und Nationalsozialismus in Tirol im Ferdinandeum Innsbruck nicht lange suchen, um Beispiele für tumbe Schützendarstellungen oder stramme Mäher zu finden.
Doch die Hingabe zur Heimatscholle musste keineswegs nur pausbäckig oder martialisch daherkommen, um dem Kunstideal der Nazis zu entsprechen. Weilers Bauernfamilie fand 1942 wie auch andere seiner Werke regen Anklang. Er wurde in der „Gau- Kunstausstellung“mit einem Preis für Malerei bedacht. Er war 1941 der NSDAP beigetreten, um, wie er selbst später sagte, der drohenden Einberufung zu entgehen. 1942 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, im April 1945 desertierte er. Weilers Beteiligung an den „Gau-Kunstausstellungen“findet kaum je Erwähnung in den vorliegenden Biografien und Werkpublikationen. Eine Ausnahme bildet Krisenjahre. Max Weiler und der Krieg, 2004/2005.
Das Ausblenden der Jahre 1938 bis 1945 sei „symptomatisch“für nahezu alle Künstlerinnen und Künstler jener Zeit, sagt Kurator Günther Dankl. Abgesehen davon tun sich, wenn man eben diese Zeit ins Visier nimmt, aber auch andere Fragen auf: wie überhaupt umgehen mit all der angepassten Nazi-Kunst, den Propagandawerken und ästhetischen Banalitäten, die jahrzehntelang verschämt in den Depots verräumt geblieben sind? Darüber wurde auch anders- wo schon trefflich gestritten, etwa als man sich in Bochum vor wenigen Jahren mit dem Etikett „artige Kunst“beholfen hat, um nur ja deutlich zwischen „Gut“und „Böse“zu unterscheiden.
Es herrscht im Ferdinandeum zumindest eingangs keine Verwechslungsgefahr, wird doch mit Hubert Lanzinger das Paradebeispiel des sich aus Überzeugung an die Nazis andienenden Tiroler Künstlers aufgeboten. Lanzinger malte den Bannerträger, eine Darstellung Hitlers als geharnischter Reiter, bereits 1933/34 als Geschenk an den Führer.
Hang zu Heimatkunst
An der Spitze der Landesstelle der Reichskunstkammer stand ab 1938 Ernst Nepo, der bereits seit 1933 illegales NSDAP-Mitglied war. Nepo wird heute noch gern ausschließlich als einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit in Tirol präsentiert. In seinem 1939 organisierten Fresko- Malkurs regte er freilich zum NSkompatiblen Blut-und-Boden-Stil an. Nach Nepos Einberufung übernahm Max Esterle dessen Position. Ihm sagt man bis heute eine gewisse Widerständigkeit gegen das Geschmacksdiktat nach. Alfons Walde, der 1938 staatsfeindlicher Aktivitäten bezichtigt worden war, wurde aber auch unter Esterle nie mehr ausgestellt. Rudolf Wackers offener Widerstand gegen das NS-Regime wiederum führte zur Verfolgung durch die Gestapo. Er starb 1939.
Die kaum bewältigbare Fülle an Werken wie auch an Themen (Rolle des Ferdinandeums, Restitution, unkommentierte Nazi-Relikte im öffentlichen Raum etc.) kann als Indikator dafür gelesen werden, dass eine Beschäftigung überfällig war. Eine Straffung hätte trotzdem gutgetan und mehr Raum für das gegeben, was an inhaltlicher Präzision der Katalog leisten muss. Zum „Zeitbild“(Dankl), das man hier entwerfen will, gehört auch, dass sich in Tirol schon in den 1920ern ein ausgeprägter Hang zu bodenständiger Heimatkunst breitgemacht hatte. Wohl auch deshalb sind 1938 keine allzu großen Brüche feststellbar, jedenfalls nicht mit dem dominierenden Kunstschaffen.
Die Gräuel des Nationalsozialismus stehen mahnend am Ende dieser Mammutschau: Sie zeigen sich in einem im KZ entstandenen Mappenwerk des Kufsteiner Malers und Radierers Harald Pickert. Max Weiler wiederum hatte mit seiner Bauernfamilie übrigens noch Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht abgeschlossen. Bis 1960 unterzog er sie drei abstrakten „Verwandlungen“im Geist des französischen Informel. Kennengelernt hatte er diesen über das französische Kulturinstitut: Die Besatzer hatten – mit einigem Erfolg – ausgerechnet die Kunst und Kultur als Mittel zur Entgiftung vom NS-Gedankengut eingesetzt. Bis 7. 4.