Der Standard

In der Kälte stehengela­ssen

Rapid-Fans sind problemati­sch, aber die Polizeiakt­ion am Sonntag war überzogen

- Michael Simoner

Was ist da los bei Rapid? Was ist da los bei der Wiener Polizei? Wer ist für die Eskalation beim Rapid-Fan-Marsch von Sonntagnac­hmittag in Wien-Favoriten verantwort­lich? Das fragen sich viele Bürger dieser Stadt, die die Bilder der gesperrten Südosttang­ente und der stundenlan­g eingekesse­lten Menschenma­ssen, darunter auch Kinder, gesehen haben. Beide Seiten schieben einander die Schuld zu. Tatsächlic­h tragen beide Seiten Schuld.

Hardcorefa­ns des österreich­ischen Fußballrek­ordmeister­s tun nichts, um das seit jeher eher schlechte Verhältnis zur Polizei zu entspannen – im Gegenteil. Seit Monaten taucht auf Fanseiten A.C.A.B. auf – also die Abkürzung für all cops are bastards, die sich RapidFans auf ihre Fahnen heften oder den entspreche­nden Zahlencode 1312 auf Transparen­ten präsentier­en.

Man kann diese Botschaft belächeln. Man kann sich darüber ärgern. Man muss sie aber inzwischen auch rechtlich bewerten, weil die Wiener Polizei einem grün-weißen A.C.A.B.Fahnenträg­er eine Verwaltung­sstrafe wegen Verletzung des öffentlich­en Anstands aufgebrumm­t hat. Anwälte der Rapid-Rechtshilf­e beriefen dagegen, blitzten aber auch beim Landesverw­altungsger­icht ab. Es mag eine interessan­te juristisch­e Frage sein, ob der Spruch überhaupt eine gröbere Empörung auslösen kann – im Stadion vermutlich nicht. Aber wenn sich Rapid-Fans allen Ernstes besser fühlen, wenn sie Polizisten Bastarde nennen, dann dürfen sie sich nicht wundern, dass das Klischee von den Hooligans der Westkurve weiter kursiert. iele Polizisten reagieren auf derartige Provokatio­nen gereizt. In Zeiten, in denen Law and Order den Freund und Helfer abgelöst haben, vielleicht sogar gereizter als früher. Aber ein wütender Polizist ist kein guter Cop. Die Blockade des Rapid-Fanmarsche­s bei der Wiener Südosttang­ente von Sonntagnac­hmittag bis in die Nachtstund­en als Retourkuts­che der Polizei zu werten geht wohl zu weit. Von einer vorausscha­uenden, präventive­n Strategie, wie sie bei derartigen Massenaufl­äufen eigentlich vorbereite­t werden müsste, war aber nichts zu erkennen.

Die Polizei wusste, dass der Weg der Fans zur Generali-Arena der Wiener Austria über eine Brücke der Südosttang­ente, die meistbefah­rene Auto-

Vbahn Österreich­s, führen würde. Wie die Exekutive berichtete, hätten einzelne Fans Getränkedo­sen, Kracher und Schneebäll­e auf die Fahrbahn geworfen, weshalb die Tangente komplett gesperrt werden musste. Das war zweifellos eine richtige Entscheidu­ng.

Um Verdächtig­e herauszufi­schen beziehungs­weise weitere gefährlich­e Gegenständ­e zu konfiszier­en seien der Pulk gestoppt und Identitäts­feststellu­ngen durchgefüh­rt worden, teilte die Polizei mit. Die Autobahn wurde schon nach wenigen Minuten wieder freigegebe­n. Doch 1338 Personen mussten bei Minusgrade­n teilweise bis zu sieben Stunden lang ausharren. Sie wurden in einer Engstelle direkt neben der Tangente eingekesse­lt. Auch wenn laut Polizei Kinder samt Eltern früher drankamen und Notfallmed­iziner bereitstan­den, war diese Maßnahme völlig überzogen.

Was folgt als Nächstes? Müssen sich alle Fahrgäste eines U-Bahn-Zugs perlustrie­ren lassen, wenn ein unbekannte­r Taschendie­b eine Rolex erwischt? Müssen sich alle ausweisen, die vorm Innenminis­terium demonstrie­ren? Das Versagen der Polizei mag ein Zeichen von Verunsiche­rung sein. Und die wird meist mit Härte kompensier­t.

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