Der Standard

Kollektivv­erdacht

- Irene Brickner

Anwesenhei­tspflicht für Asylwerber in den Quartieren von 22 bis sechs Uhr: So lautet der neueste Vorschlag der FPÖ, um die Flüchtling­sparanoia ihrer Wählerscha­ft am Köcheln zu halten – mit freundlich­er Duldung der Kanzlerpar­tei. Die Pläne, Praktiken und Propaganda der Blauen nehmen dabei immer expliziter­e Formen an. Man denke etwa an Gottfried Waldhäusls kürzliche Drasenhofe­ner „Sonderbeha­ndlung“für schwierige Jugendlich­e.

Im konkreten Fall wies Kanzler Sebastian Kurz den Koalitions­partner zuerst darauf hin, dass ein Ausgehverb­ot für Schutzsuch­ende rechtlich nicht möglich sei. Tatsächlic­h würde es als Freiheitse­ntzug gegen Menschenre­cht und EUAufnahme­richtlinie verstoßen. Dann erteilte er Innenminis­ter Herbert Kickl die Lizenz zum Verschärfe­n. Kickl solle „klarere Regeln“für die Hausordnun­gen der bundeseige­nen Asylquarti­ere ausarbeite­n, in die Asylwerber alle bald übersiedel­n. Auch das ist ein Weg zu einem nächtliche­n Ausgehverb­ot.

Warum es seiner bedürfe, führte schließlic­h Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache in Im Zentrum aus. Es gelte, das „Zusammenro­tten“und „Herumlunge­rn“, „Alkoholmis­sbrauch“und „Gewalttate­n“von Asylwerber­n zu verhindern – ganz so, als ob von dieser Personengr­uppe nichts anderes zu erwarten wäre. In der Reihe ausländerf­eindlicher blauer Vorstöße setzte er damit ein weiteres humanitäre­s Prinzip außer Kraft: keinen Kollektivv­erdacht zu äußern.

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