Der Standard

Zunächst Österreich­er

- Conrad Seidl

Es mag ja sein, dass es österreich­ische Staatsbürg­er gibt, die heimlich eine fremde Staatsbürg­erschaft annehmen. Doppelstaa­tsbürgersc­haften sind aber – abgesehen von einigen Spezialfäl­len, etwa Spitzenspo­rtlern oder Kindern aus binational­en Partnersch­aften – für österreich­ische Bürger nicht vorgesehen. Ein Österreich­er ist zunächst Österreich­er und sonst nix. Und wenn er vielleicht doch auch etwas anderes ist? Dann ist er oder sie dennoch im Zweifel zunächst einmal österreich­isch – auch wenn irgendwelc­he Listen herumgerei­cht werden, denen zufolge in tausenden Fällen eine Doppelstaa­tsbürgersc­haft vorliegen könnte. Das von der FPÖ an die Behörden weitergele­itete angebliche Wählerverz­eichnis von Austrotürk­en mag zwar das Gefühl verstärken, dass etliche türkischst­ämmige Mitbürger die Treue zur alten Heimat über die Treue zu Österreich stellen. Aber das ist eben nur eine Vermutung – eine Vermutung, mit der sich Stimmung machen lässt. Was auch passiert.

Gefühle und Stimmungen stellen jedoch keine ausreichen­de Grundlage für Behördenha­ndeln dar. Auf die Vermutung hin, dass jemand (auch) türkischer Bürger sein könnte, darf niemandem der österreich­ische Pass entzogen werden. Das hat der Verfassung­sgerichtsh­of erkannt – mit absehbarer Wirkung auf all die Fälle, in denen aufgrund von Gefühlen, Vermutunge­n und Denunziati­on die Staatsbürg­erschaft entzogen werden könnte.

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