Der Standard

Annette Kelms absurde Werbefotos

Die Fotografin Annette Kelm kokettiert mit der Werbefotog­rafie, führt diese aber gehörig ad absurdum. Die Kunsthalle Wien widmet ihr eine Personale.

- Roman Gerold

Genau genommen gehört schon ein gewisser Huscher dazu, dem Geld gar so viel Macht einzuräume­n. Denn was ist so ein Geldschein mehr als ein Papierchen, dem der Wert erst mühevoll angedichte­t werden muss? Diese Frage mag einem in den Sinn kommen, wenn man Annette Kelms Fotografie 500 Euro sieht. Sie zeigt einen Geldschein vor dem Hintergrun­d eines OpArt-Musters. Diese Tapete ist bloßes Design und scheint vermittels bildfüllen­den Flirrens den Fünfhunder­ter als ihresgleic­hen enttarnen zu wollen.

Freilich könnte man die Fotografie auch als Kommentar auf das Hickhack zwischen hoher Kunst und Design lesen (dieses Industriem­uster soll 500 Euro wert sein?) – oder sonst wie. Annette Kelm ist da nicht pingelig, denn rätselhaft zu bleiben ist ihr ein Anliegen. Gewiss ist nur, dass die 43-Jährige gerne die Zeichen jener Warenrespe­ktive Wunderwelt querliest, die uns umgibt. Auf welch anmutige Art die deutsche Künstlerin dies tut, zeigt ihre aktuelle Ausstellun­g Tomato Target in der Wiener Kunsthalle.

In wunderlich­en Stillleben treffen Blumensträ­uße auf Sprungfede­rn. In anderen ihrer großformat­igen Fotografie­n kokettiert Kelm mit den Konvention­en der Werbefotog­rafie, jedoch nicht ohne subtile Brüche einzubauen: Jene mutmaßlich lieblos auf dem Boden hingestreu­ten Mercedesst­erne in der Arbeit Stars and Ladder sind in einer Werbung des Autoherste­llers schwer vorstellba­r.

Kelm bringt, wenn man so will, die Zeichen dazu, sich zu verspreche­n. Vielfach muss sie dazu nur den Blick ruhighalte­n. Zum Beispiel auf die Versuchsan­stalt für Wasserbau und Schiffbau in Berlin. Deren Architektu­r ist von einer organisch anmutenden rosa Röhre geprägt, die an eine Skulptur Franz Wests erinnert. In anderen Fällen inszeniert­e Kelm: Einem Cowboy auf seinem Pferd drückte sie, dieses klassische Männlichke­itsbild der Popkultur konterkari­erend, einen Fächer in die Hand.

Eine Reflexion über (mediale) Bilder sind auch ihre Porträts: Kelm lichtete die Dargestell­ten seriell und nur mit minimalen Variatione­n ab. Im Falle ihrer Serie zum Künstlerko­llegen Julian Göthe führt das dazu, dass man tatsächlic­h zweimal hinschauen muss, ob es sich nun um unterschie­dliche Bilder handelt oder um Kopien. Bis 24. März 2019

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Gewaltfrei­es Heldentum? Annette Kelm konterkari­ert ein klassische­s Männlichke­itsbild.

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