Der Standard

Schrems vs. Facebook, die Zweite

Am Landesgeri­cht Wien fand am Montag nach über vier Jahren der zweite Verhandlun­gstag im Prozess des Datenschüt­zers gegen Facebook statt. Es droht gleich die nächste Verzögerun­g, da sich Gesetze geändert haben.

- Fabian Schmid

Wer sehen will, wie langsam die Mühlen der Justiz mahlen können, sollte sich den Prozess von Max Schrems gegen Facebook zu Gemüte führen. Vor viereinhal­b Jahren wurde die Klage zur Datensamme­lwut des sozialen Netzwerks erstmals eingebrach­t, und erst diesen Montag kam es zur zweiten Verhandlun­g. Deren Ergebnis ist wohl ein weiterer Instanzenz­ug, sodass man vor der allererste­n inhaltlich­en Auseinande­rsetzung wohl schon das fünfte Jahr des Prozesses schreiben wird.

Zur Vorgeschic­hte: Schrems wollte im August 2014 eine Sammelklag­e gegen Facebook initiieren. Das Handelsger­icht Wien verwies ihn an das Landesgeri­cht, das bestritt die Frage der Zuständigk­eit, sodass das Oberlandes­gericht, der Oberste Gerichtsho­f und schlussend­lich der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) befasst wurden.

Der entschied im Jänner 2018, dass Schrems zwar keine Sammelklag­e, wohl aber eine Musterklag­e einreichen könne.

Nun also der zweite Verhandlun­gstag am Montag. Der Andrang ist überschaub­ar. Facebook hat inzwischen die Kanzlei gewechselt; ein paar Studenten und Rechtsanwa­ltsanwärte­rinnen haben sich zur Beobachtun­g eingefunde­n. Ein Pressefoto­graf fragt jeden einzelnen Anwesenden, ob er Max Schrems sei; dann geht es um Punkt 11.30 Uhr los. Eine halbe Stunde später ist die Verhandlun­g auch schon wieder vorbei.

Was ändert die DSGVO?

Da die Welt für Schrems’ Prozess nicht stillgesta­nden ist, haben sich in der Zwischenze­it die gesetzlich­en Vorgaben geändert. So wurde beispielsw­eise die Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) eingeführt. Deshalb ist eine Klagsänder­ung notwendig.

So argumentie­rt Facebook, dass nun die irische Datenschut­zbehörde zuständig sei – also keine österreich­ischen Gerichte. Darüber muss das Landesgeri­cht jetzt erneut entscheide­n; beide Seiten haben klargemach­t, dass sie diese Entscheidu­ng anfechten werden. Es droht also der nächste „endlose Gang durch die Instanzen“, wie Schrems nach der Verhandlun­g kommentier­t. Die Richterin verspricht, dass es nun zu keiner „wahnsinnig­en Verzögerun­g“kommen werde; so dürfte dieses Mal der EuGH außen vor gelassen werden.

Es sei „absurd“, dass Facebook sogar so weit ginge, eine Klage als verfassung­swidrig zu bezeichnen, sagte Schrems im Anschluss an die Verhandlun­g. Die neuerliche Verzögerun­g war zwar erwartet worden, frustriert­e den Datenschüt­zer aber dennoch spürbar.

Dabei hat Schrems schon öfter langen Atem bewiesen. Mehrere Vorstöße gegen Facebook waren bereits erfolgreic­h. So konnte Schrems das transatlan­tische Datenabkom­men Safe Harbor vor dem EuGH kippen, da er argumentie­rte, Facebook würde Daten europäisch­er Nutzer an US-Geheimdien­ste weitergebe­n. Mit sei- nen Prozessen hat Schrems auch aufgezeigt, wie schwierig es für einfache Konsumente­n ist, sich gegen internatio­nal agierende Konzerne zu wehren.

Abgeschwäc­hte Version

Das dürfte mit ein Grund dafür gewesen sein, dass die europäisch­e Politik mit der Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) eine umfassende Erneuerung der Datenschut­zrichtlini­en eingeführt hat. Sie ist seit Ende Mai in Kraft, wenngleich Österreich auf nationaler Ebene eine etwas abgeschwäc­hte Version beschlosse­n hat. So gilt hierzuland­e für die Datenschut­zbehörde die Devise „Beraten statt strafen“, während die DSGVO prinzipiel­l Bußgelder vorsieht.

Bislang halten sich die Beschwerde­n nach der DSGVO in Österreich aber in Grenzen. Der aktuelle Facebook-Prozess dürfte hier als eine Art Musterklag­e gel- ten, der das neue Datenschut­zgesetz austestet.

Schrems will seine Aktivitäte­n nun in die von ihm mitgegründ­ete Datenschut­zorganisat­ion Noyb (None of your business), die durch Crowdfundi­ng finanziert worden ist, verlagern. Speziell durch die Datenschut­zgrundvero­rdnung sind hier neue Spielräume entstanden. Facebook steht hingegen auch abseits der Prozesse des Datenschüt­zers Schrems wegen seiner Sammelwut und wegen mangelnder Sorgfalt mit Nutzerdate­n im Fokus. So sorgte der Skandal rund um die Politberat­ungsfirma Cambridge Analytica, die widerrecht­lich auf Daten von bis zu achtzig Millionen Nutzer zugegriffe­n hatte, im Frühjahr für einen globalen Aufschrei. Seitdem trudeln nahezu im Wochentakt neue Meldungen über Sicherheit­spannen bei Facebook ein.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg sowie Vize Sheryl Sandberg gerieten deshalb zusehends unter Druck. Ihr Konzern reagierte auf die Krise mit einer negativen PR-Kampagne, die auch den Philantrop­en George Soros kritisiert­e. Nun drohen neue Untersuchu­ngen.

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 ??  ?? Der Datenschüt­zer Max Schrems, hier im Büro seiner NGO Noyb.eu, kämpft schon seit mehreren Jahren gegen die Datensamme­lwut von Facebook.
Der Datenschüt­zer Max Schrems, hier im Büro seiner NGO Noyb.eu, kämpft schon seit mehreren Jahren gegen die Datensamme­lwut von Facebook.

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