Der Standard

Sarrazin, Klotz am Bein der SPD

- Birgit Baumann

Was? Die SPD will Thilo Sarrazin hinauswerf­en? In Deutschlan­d hat diese Mitteilung nicht wenige ziemlich überrascht, wobei weniger der Wunsch der Sozialdemo­kraten für Erstaunen sorgte, sondern mehr die Tatsache, dass der ehemalige Berliner Finanzsena­tor und mittlerwei­le höchst umstritten­e Autor immer noch Mitglied der Roten ist. Man wähnt ihn eigentlich bei der AfD.

Falsch gedacht. Zwar sorgt Sarrazin in der SPD zwischen Stirnrunze­ln und Augenrolle­n für so gut wie jede Mimik des Genervtsei­ns. Aber formal ist er ein Sozialdemo­krat. Den Gefallen, sich aus dem Staub zu machen, tut er der SPD nicht.

Wünschen würden es sich viele, obwohl Sarrazin bei den „Sozen“, zu denen er seit Anfang der Siebzigerj­ahre gehört, wohlgelitt­en war, weil er dem „armen aber sexy“Berlin im Jahr 2007 zum ersten Mal seit Kriegsende zu einem Haushaltsp­lus verhalf.

Sarrazin wuchs in Recklingha­usen (Nordrhein-Westfalen) auf, studierte in Bonn Volkswirts­chaftslehr­e, arbeitete zunächst in mehreren Ministerie­n und bei der Deutschen Bahn. Im Jahr 2002 holte der damalige Berliner Bürgermeis­ter Klaus Wowereit (SPD) den Genossen in die Hauptstadt, wo dieser für eine strenge Sparpoliti­k sorgte. Schon damals zuckte so mancher Sozialdemo­krat zusammen, als Sarrazin Sozialhilf­eempfänger­n empfahl, bei Kälte einfach mehr Pullover anzuziehen.

2009 wechselte er in den Vorstand der Bundesbank, 2010 schied er schon wieder aus, denn da ging die Karriere inklusive zahlreiche­r Talkshowau­ftritte erst richtig los. Mit Deutschlan­d schafft sich ab und weiteren Bestseller­n wurde Sarrazin deutschlan­dweit bekannt. Der Tenor der Bücher ist dergestalt, dass eine AfDMitglie­dschaft nicht verwunderl­ich wäre.

Bei muslimisch­en Einwandere­rn sieht er vor allem Defizite bei der Bildung und die Verweigeru­ng zur Integratio­n. Der Koran rufe zu Gewalt auf, sein religiöser „Gehalt“sei im Übrigen „sehr schlicht“.

Zweimal hat die SPD schon versucht, ihn loszuwerde­n, unzählige Male wurde darauf verwiesen, dass Sarrazin ja eigentlich selbst auch Migrant sei. Denn der Name bedeutet „der im Land der Sarazenen geweilt hat“– einem Gebiet im Nordwesten der Arabischen Halbinsel. Seine Großmütter stammen aus Italien und Großbritan­nien.

Der 73-Jährige ist zwar schon bei der AfD aufgetrete­n, aber er sieht seine politische Heimat nach wie vor in der SPD und erklärt, dass er sich dort gut aufgehoben fühle.

 ??  ??
 ?? Foto: Imago ?? Im dritten Anlauf will die SPD Thilo Sarrazin endlich loswerden.
Foto: Imago Im dritten Anlauf will die SPD Thilo Sarrazin endlich loswerden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria