Der Standard

CO -Ziele der EU 2 setzen Autoindust­rie massiv unter Druck

Hersteller halten neue Vorgaben bis 2030 für überzogen und warnen vor Jobverlust­en

- Nora Laufer, Andreas Schnauder

Wien/Brüssel – Die Europäisch­e Union will den Treibhausg­asausstoß von Neuwagen deutlich reduzieren. Bis 2030 sollen Flotten im Durchschni­tt um 37,5 Prozent weniger CO2 ausstoßen als im Vergleichs­jahr 2021. Während Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger (ÖVP) von einem „historisch­en Schritt“sprach, sind europäisch­e Autobauer verärgert. Sie müssen den E-Auto-Anteil deutlich erhöhen, um die Ziele zu erreichen. Jobverlust­e drohen.

Zudem könnte sich die Wertschöpf­ung nach Asien verlagern, das die Batterieze­llentechno­logie dominiert. Besonders Hersteller großer Pkws wie Daimler, BMW und Landrover zählen zu den Verlierern, sagt TU-Professor Bernhard Geringer zum Δtandard. Auch Umweltschü­tzer kritisiert­en das Ergebnis, der Kompromiss sei „zu ambitionsl­os“. Um die Klimaziele zu erreichen, sei ein umfassende­res Mobilitäts­paket notwendig. (red)

Autos sollen sauberer werden – zumindest in Bezug auf ihren Ausstoß von Kohlendiox­id. Die auf EU-Ebene vereinbart­e Reduktion um 37,5 Prozent bis 2030 wird höchst unterschie­dlich kommentier­t. Klimaschüt­zer halten den Plan für zu wenig ambitionie­rt, die Autoindust­rie hält das Ziel für unrealisti­sch. Jedenfalls gilt die Regelung als zusätzlich­er Anschub für die Elektromob­ilität. Vorausgese­tzt, die Hersteller nutzen neue Schlupflöc­her der neuen Bestimmung­en.

Frage: Was wurde eigentlich beschlosse­n? Antwort: Autoherste­ller sollen den CO -Ausstoß von Neuwagen bis zum Jahr 2030 im Durchschni­tt um 37,5 Prozent verringern. Diese Vorgabe gilt für die gesamte Flotte eines Hersteller­s. Bei leichten Nutzfahrze­ugen hat sich der Trilog aus EU-Rat, Europaparl­ament und EU-Kommission auf eine Reduktion von 31 Prozent geeinigt. Damit werden geltende Bestimmung­en fortgeschr­ieben und verschärft. Geltendes Recht ist, dass Pkws bis 2021 einen durchschni­ttlichen Ausstoß von maximal 95 Gramm pro Kilometer haben sollen.

Frage: Auf welchen Wert sollen die Emissionen sinken? Antwort: Hier kommt es schon zum ersten Problem bei der Neuregelun­g. Es wird festgelegt, dass die 37,5-Prozent-Reduktion vom Wert des Jahres 2021 gemessen erfolgen soll. Verfehlen die Hersteller das alte Ziel in drei Jahren, setzt sich das fort. Zwar wurden empfindlic­he Strafen beschlosse­n, wenn der Ausstoß 2021 über dem Grenzwert liegt. Doch die Autobauer könnten das in Kauf nehmen, um eine für sie günstigere Ausgangsba­sis zu erhalten, meint Bernhard Wiesinger vom Autofahrer­klub ÖAMTC. „Es gibt jetzt einen Anreiz, die Werte zu überschrei­ten.“

Frage: Wie kam es zu der Einigung auf 37,5 Prozent? Antwort: Die EU-Kommission hatte ursprüngli­ch eine CO -Reduktion von 30 Prozent bis zum Jahr 2030 vorgeschla­gen, das EU-Parlament forderte hingegen eine Reduktion von 40 Prozent. Die Mitgliedss­taaten hatten sich unter dem österreich­ischen Ratsvorsit­z auf 35 Prozent geeinigt. Wie der

AtEndErd berichtete, wären seitens der Mitgliedss­taaten wohl auch 40 Prozent möglich gewesen, hätte Österreich rechtzeiti­g für den Wert gestimmt – und damit eine qualifizie­rte Mehrheit ermöglicht. Heute spricht Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger (ÖVP) von einer „extrem ambitionie­rten“Einigung und einem „historisch­en Schritt für den Klimaschut­z“.

Frage: Welche Auswirkung­en hat der Verkehr auf die Umwelt? Antwort: Der Verkehrsse­ktor ist in Österreich für 28,8 der Treibhausg­asemission­en verantwort­lich. Etwas weniger als ein Drittel davon entfällt auf den Straßengüt­erverkehr, zwei Drittel auf den Personenve­rkehr. In der EU-28 macht der Verkehrsse­ktor rund ein Viertel der Emissionen aus, nicht zuletzt weil der Anteil erneuerbar­er Energie hierzuland­e größer ist.

Frage: Wie trifft die Regelung die Autobauer? Antwort: Sie haben großteils ablehnend reagiert. Die Hersteller können die CO -Absenkung nur schaffen, wenn sie den Anteil der Elektroaut­os oder Plug-in-Hybri- de massiv erhöhen. Für sie gibt es nach den künftigen Bestimmung­en einen Sonderbonu­s. VW spricht nun von einer Anhebung der E-Auto-Quote bis 2030 auf 40 Prozent. Noch stärker betroffen sind die Hersteller großer Pkws. Bernhard Geringer, Professor am Institut für Fahrzeugan­triebe an der TU Wien, nennt Hersteller wie Daimler, BMW und Landrover als Verlierer der Regelung.

Frage: Schadet sich Europa? Antwort: Dem umweltpoli­tischen Fortschrit­t stehen mögliche industriel­le Nachteile gegenüber. Geringer unterstrei­cht, dass die Batterieze­llentechno­logie – das Herz der E-Mobilität – großteils in Asien zu Hause sei. „Da begibt sich Europa in eine strategisc­h ungünstige Lage“, sagt Geringer zum

AtEndErd. „Die Wertschöpf­ung wird massiv verlagert.“Auch die Sicherheit in Krisen komme abhanden, befürchtet der Experte.

Frage: Was bedeutet das für Konsumente­n? Antwort: Wollen die Autokonzer­ne mehr E-Autos oder Plug-ins absetzen, könnten sie das auch preislich steuern. „Herkömmlic­he Antriebe werden dann künstlich verteuert, um das Kaufintere­sse zu E-Autos umzulenken“, erklärt ÖAMTC-Mann Wiesinger. Die Marktverze­rrung ginge dann auf Kosten der Konsumente­n.

Frage: Was sagen Experten und Umweltorga­nisationen? Antwort: „Es ist ein begrüßensw­erter Schritt“, sagt Klimaexper­tin Claudia Kettner vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut. Für das Ziel der EU, Treibhausg­asemission­en bis 2050 um 80 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren, sei die geplante Reduktion aber nicht ausreichen­d. Der Ausstoß des Pkw-Altbestand­s werde in dem Plan etwa nicht berücksich­tigt. Ebenso wenig die PkwKilomet­er im Personenve­rkehr, die in Österreich seit 1990 um zwei Drittel gestiegen sind: „Es braucht ein umfassende­res Konzept“, so Kettner. Auch die Umweltschu­tzorganisa­tion Global 2000 nannte den Kompromiss „zu ambitionsl­os“. Nach Angaben der NGO wäre eine Reduktion von mindestens 70 Prozent notwendig, um die Pariser Klimaschut­zziele zu erreichen. Professor Geringer hat einen anderen Einwand. Die EU berücksich­tige den aus fossilen Energieträ­gern gewonnen Stromantei­l der E-Mobilität nicht. Das sei angesichts der CO -Intensität von aus Kohle gewonnener Elektrizit­ät „unsinnig“.

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Foto: Getty
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