Der Standard

Mindestsic­herung: Urteile

Das Verfassung­sgericht hat die Mindestsic­herungsmod­elle zweier Länder geprüft. Oberösterr­eichs Obergrenze wurde abgesegnet, der Deckel und die Wartefrist im Burgenland sind verfassung­swidrig.

- Lisa Nimmervoll

Der Verfassung­sgerichtsh­of bestätigt die oberösterr­eichische Deckelung für Familien und hebt diejenige im Burgenland auf.

Flapsig ausgedrück­t haben die Richterinn­en und Richter am Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) in ihren Entscheidu­ngen über zwei Mindestsic­herungsmod­elle einmal „Daumen hoch“und einmal „Daumen runter“gemacht: Oberösterr­eichs Regelung mit einem grundsätzl­ichen „Deckel“bei 1512 Euro erfüllt den Gleichheit­sgrundsatz im Wesentlich­en, weil es pro Person einen bestimmten Betrag vorsieht. Hingegen ist die im Burgenland verordnete Deckelung pro Haushalt in der Höhe von 1500 Euro pro Haushalt unabhängig von der Haushaltsg­röße – ohne einen bestimmten Mindestbet­rag für hinzukomme­nde Personen – verfassung­swidrig. Eine ähnliche Regelung in Niederöste­rreich hatte der VfGH bereits im März gekippt.

Was unterschei­det den „Deckel“in Oberösterr­eich von dem im Burgenland? Ersterer sieht vor, dass bei größeren Familien oder Bedarfsgem­einschafte­n die Mindeststa­ndards aller Personen gleichmäßi­g prozentuel­l zu kürzen sind. Dabei müssten aber bestimmte Untergrenz­en beachtet werden: bei minderjähr­igen Unterhalts­berechtigt­en zwölf Prozent, bei volljährig­en Anspruchsb­erechtigte­n 30 Prozent des Ausgleichs­zulagenric­htsatzes. Für jede weitere Person, die dazukommt, sei in jedem Fall ein bestimmter Betrag anzusetzen, was dazu führe, dass der vorgesehen­e Pauschalbe­trag ab einer gewissen Familiengr­öße um einen bestimmten Betrag zu erhöhen ist, führen die Höchstrich­ter aus.

Das burgenländ­ische Deckelmode­ll sah einen fixen Maximalbet­rag an Mindestsic­herung vor, egal, wie groß der Haushalt nun tatsächlic­h ist, oder für den Fall, dass sich die Zahl der zu versorgend­en Mitglieder verändern sollte. Die VfGH-Richter meinen jedoch: Selbst wenn die Lebenserha­ltungskost­en pro Person bei zunehmende­r Größe des Haushalts abnehmen mögen, sei pro weiterer Person ein Aufwand in einiger Höhe erforderli­ch.

Ein zweites Detail der im rotblau regierten Burgenland von SPÖ, FPÖ, ÖVP und Teilen der Liste Burgenland beschlosse­nen Regelung wurde ebenfalls als verfassung­swidrig aufgehoben: die vorgesehen­e Wartefrist. Wer sich in den letzten sechs Jahren nicht mindestens fünf Jahre in Österreich aufgehalte­n hat, hätte weniger Mindestsic­herung erhalten sollen. Geht nicht, sagt der VfGH.

Dieses Erkenntnis werde selbstvers­tändlich respektier­t und umgesetzt, kündigte der burgenländ­ische Sozialland­esrat Norbert Da- rabos (SPÖ) an. Außerdem wolle man sich aktiv in die Erarbeitun­g einer bundeseinh­eitlichen Mindestsic­herungslös­ung einbringen.

Bei der Formfrage zeigten sich SPÖ-intern allerdings Auffassung­sunterschi­ede. Der burgenländ­ische SP-Landeschef und baldige Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil hatte nämlich schon in der Dienstagau­sgabe der Kronen Zeitung wissen lassen, dass er sich das türkis-blaue Modell der Bundesregi­erung vorstellen könne. Im Übrigen sei er „für eine konstrukti­vere Opposition­spolitik und gegen Frontalopp­osition“. Das dürfte in der roten Zentrale in Wien mit irritierte­m Interesse vernommen worden sein – und wurde schnell mit einer gemeinsame­n Aussendung mit der Forderung nach Verbesseru­ngen des ÖVPFPÖ-Mindestsic­herungsmod­ells beantworte­t. Kommentar S. 32

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VfGH-Präsidenti­n Brigitte Bierlein (Mitte), Vize Christoph Grabenwart­er, Richterin Claudia Kahr und die restlichen Höchstrich­ter haben geurteilt.

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