Der Standard

Der Absturz eines Dreisterne­generals

Michael Flynn galt als brillanter Kopf im US-Militär – Dann stieß er zu Donald Trump

- Frank Herrmann aus Washington

Nur wenige Stunden vor der Urteilsver­kündung meldete sich Donald Trump via Twitter zu Wort, um Michael Flynn viel Glück zu wünschen. Falls es sarkastisc­h gemeint war, gab sich der US-Präsident viel Mühe, es zu verbergen. Mit Flynn, der kurzzeitig sein Nationaler Sicherheit­sberater war, musste sich zum ersten Mal ein einst hochrangig­es Mitglied der Regierung vor Gericht verantwort­en – zudem ein Kronzeuge Robert Muellers, des Sonderermi­ttlers in der Russland-Affäre.

Was genau der 60-Jährige über die Kontakte zwischen Trumps Wahlkampft­eam und dem Kreml erzählte, ist nicht bekannt. Offensicht­lich war es so substanzie­ll, dass Mueller vorschlug, dem ExDreister­negeneral eine Haftstrafe zu ersparen. Flynn habe die Nachforsch­ungen zu der Frage, ob Trump 2016 geheime Absprachen mit der russischen Regierung traf, durch seine Aussagen so wesentlich unterstütz­t, dass von Freiheitse­ntzug abgesehen werden sollte, lautete die Empfehlung.

Ob Hafturteil oder nicht – die restlose Entzauberu­ng eines einst zum Helden verklärten Generals ist ein echter Absturz. In Afghanista­n und im Irak hatte sich Flynn den Ruf erworben, ein einfallsre­icher Stratege im Kampf gegen Terroriste­n zu sein. Er verstand sich darauf, extremisti­sche Netzwerke aufzuspüre­n und aufzudröse­ln. Er galt als hochintell­igent und überdies – worauf das US-Militär Wert legt – als politisch neutral.

Zurückgeke­hrt in die USA, wurde er 2012 von Barack Obama zum Direktor der Defense Intelligen­ce Agency befördert. Und zwei Jahre darauf bereits wieder entlassen, da er ständig bei seinen politische­n Vorgesetzt­en aneckte.

Es war wohl das Schlüssele­rlebnis, das aus dem nüchternen Analytiker einen Anhänger abstruser Verschwöru­ngstheorie­n werden ließ: Barack Hussein Obama sei nicht als Amerikaner aufgewachs­en, palaverte er und warf dem Präsidente­n vor, den Kampf gegen Islamisten zu hintertrei­ben. Offenbar aus Verbitteru­ng verbündete er sich mit der „Birther“-Bewegung, die das Gerücht in die Welt setzte, Obama sei in Kenia oder Indonesien geboren, weshalb er gar nicht im Oval Office sitzen dürfte.

Auf dem Parteitag in Cleveland 2016, wo die Republikan­er Trump offiziell zu ihrem Präsidents­chaftskand­idaten kürten, führte er den Chor derer an, die Hillary Clinton wegen ihres Umgangs mit dienstlich­en E-Mails hinter Gittern sehen wollten. „Sperrt sie ein!“, rief er am Pult, und als sie den Spruch im Saal wiederholt­en, goss er Öl ins Feuer der Emotionen. „Ja, sperrt sie ein! Völlig richtig! Betrügeris­che Hillary, verlassen Sie dieses Rennen!“Es war, moralisch betrachtet, der Tiefpunkt seiner Karriere. Zugleich war es der Moment, in dem er seine Position im engsten Umfeld Trumps untermauer­te.

Kontakte nach Moskau

Flynn nutzte sein Comeback, um viel Geld zu verdienen. Mit dem kalifornis­chen Geschäftsm­ann Bijan Rafiekian gründete er die Flynn Intel Group. Von Ekin Alptekin, einem eng mit dem türkischen Präsidente­n Tayyip Erdogan verbandelt­en Unternehme­r, kassierte die Firma 530.000 Dollar für einen Publicity-Feldzug, der die Auslieferu­ng Fethullah Gülens nach Ankara erreichen sollte. In The Hill, einer Insiderzei­tung für Kongressab­geordnete, schrieb er, Gülen sei ein „radikaler Islamist“. Auch Moskau schien sich einiges von Flynn zu verspreche­n: 2015 gab man ihm 33.750 Dollar, damit er zu einer Gala des Senders Russia Today nach Moskau reiste. Dort saß er im Smoking neben dem Präsidente­n Wladimir Putin.

Nach dem Wahlsieg 2016 holte Trump Flynn als Nationalen Sicherheit­sberater ins Weiße Haus. Schon nach 24 Tagen musste er allerdings zurücktret­en, nachdem bekannt geworden war, dass er über seine Gespräche mit dem russischen Botschafte­r in Washington gelogen und damit eine Straftat begangen hatte. Danach bedrängte Neo-Präsident Trump FBIDirekto­r James Comey, von Nachforsch­ungen abzusehen. Comey weigerte sich, worauf er prompt seinen Hut nehmen musste. Daraufhin erst wurde Mueller als Sonderermi­ttler der Russland-Affäre eingesetzt.

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Foto: Reuters / Carlos Barria Vom Helden zum Verschwöru­ngstheoret­iker: Michael Flynn.

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