Der Absturz eines Dreisternegenerals
Michael Flynn galt als brillanter Kopf im US-Militär – Dann stieß er zu Donald Trump
Nur wenige Stunden vor der Urteilsverkündung meldete sich Donald Trump via Twitter zu Wort, um Michael Flynn viel Glück zu wünschen. Falls es sarkastisch gemeint war, gab sich der US-Präsident viel Mühe, es zu verbergen. Mit Flynn, der kurzzeitig sein Nationaler Sicherheitsberater war, musste sich zum ersten Mal ein einst hochrangiges Mitglied der Regierung vor Gericht verantworten – zudem ein Kronzeuge Robert Muellers, des Sonderermittlers in der Russland-Affäre.
Was genau der 60-Jährige über die Kontakte zwischen Trumps Wahlkampfteam und dem Kreml erzählte, ist nicht bekannt. Offensichtlich war es so substanziell, dass Mueller vorschlug, dem ExDreisternegeneral eine Haftstrafe zu ersparen. Flynn habe die Nachforschungen zu der Frage, ob Trump 2016 geheime Absprachen mit der russischen Regierung traf, durch seine Aussagen so wesentlich unterstützt, dass von Freiheitsentzug abgesehen werden sollte, lautete die Empfehlung.
Ob Hafturteil oder nicht – die restlose Entzauberung eines einst zum Helden verklärten Generals ist ein echter Absturz. In Afghanistan und im Irak hatte sich Flynn den Ruf erworben, ein einfallsreicher Stratege im Kampf gegen Terroristen zu sein. Er verstand sich darauf, extremistische Netzwerke aufzuspüren und aufzudröseln. Er galt als hochintelligent und überdies – worauf das US-Militär Wert legt – als politisch neutral.
Zurückgekehrt in die USA, wurde er 2012 von Barack Obama zum Direktor der Defense Intelligence Agency befördert. Und zwei Jahre darauf bereits wieder entlassen, da er ständig bei seinen politischen Vorgesetzten aneckte.
Es war wohl das Schlüsselerlebnis, das aus dem nüchternen Analytiker einen Anhänger abstruser Verschwörungstheorien werden ließ: Barack Hussein Obama sei nicht als Amerikaner aufgewachsen, palaverte er und warf dem Präsidenten vor, den Kampf gegen Islamisten zu hintertreiben. Offenbar aus Verbitterung verbündete er sich mit der „Birther“-Bewegung, die das Gerücht in die Welt setzte, Obama sei in Kenia oder Indonesien geboren, weshalb er gar nicht im Oval Office sitzen dürfte.
Auf dem Parteitag in Cleveland 2016, wo die Republikaner Trump offiziell zu ihrem Präsidentschaftskandidaten kürten, führte er den Chor derer an, die Hillary Clinton wegen ihres Umgangs mit dienstlichen E-Mails hinter Gittern sehen wollten. „Sperrt sie ein!“, rief er am Pult, und als sie den Spruch im Saal wiederholten, goss er Öl ins Feuer der Emotionen. „Ja, sperrt sie ein! Völlig richtig! Betrügerische Hillary, verlassen Sie dieses Rennen!“Es war, moralisch betrachtet, der Tiefpunkt seiner Karriere. Zugleich war es der Moment, in dem er seine Position im engsten Umfeld Trumps untermauerte.
Kontakte nach Moskau
Flynn nutzte sein Comeback, um viel Geld zu verdienen. Mit dem kalifornischen Geschäftsmann Bijan Rafiekian gründete er die Flynn Intel Group. Von Ekin Alptekin, einem eng mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan verbandelten Unternehmer, kassierte die Firma 530.000 Dollar für einen Publicity-Feldzug, der die Auslieferung Fethullah Gülens nach Ankara erreichen sollte. In The Hill, einer Insiderzeitung für Kongressabgeordnete, schrieb er, Gülen sei ein „radikaler Islamist“. Auch Moskau schien sich einiges von Flynn zu versprechen: 2015 gab man ihm 33.750 Dollar, damit er zu einer Gala des Senders Russia Today nach Moskau reiste. Dort saß er im Smoking neben dem Präsidenten Wladimir Putin.
Nach dem Wahlsieg 2016 holte Trump Flynn als Nationalen Sicherheitsberater ins Weiße Haus. Schon nach 24 Tagen musste er allerdings zurücktreten, nachdem bekannt geworden war, dass er über seine Gespräche mit dem russischen Botschafter in Washington gelogen und damit eine Straftat begangen hatte. Danach bedrängte Neo-Präsident Trump FBIDirektor James Comey, von Nachforschungen abzusehen. Comey weigerte sich, worauf er prompt seinen Hut nehmen musste. Daraufhin erst wurde Mueller als Sonderermittler der Russland-Affäre eingesetzt.