Der Standard

Hollywoodg­rößen und Präsidente­n vertrauten dem selbsterna­nnten Geistheile­r João de Deus aus Brasilien. Jetzt ist der 76-Jährige wegen sexuellen Missbrauch­s angeklagt. 500 Frauen haben sich gemeldet.

- Susann Kreutzmann aus São Paulo

Für seine Anhänger ist er Gott. Sie kommen zu dem selbsterna­nnten Wunderheil­er, wenn es woanders keine Hoffnung mehr zu geben scheint. Mehr als tausend Menschen pilgern jeden Tag nach Abadiânia, ein verlassene­s Städtchen im Inneren des brasiliani­schen Bundesstaa­tes Goiás. Dort hat João Teixeira de Faria ein spirituell­es Imperium aufgebaut und damit ein Vermögen gemacht. Unzählige Menschen will Faria, der sich João de Deus (Johannes von Gott) nennt, schon von ihren Leiden befreit haben. Sogar TVTalkquee­n Oprah Winfrey, Supermodel Naomi Campbell, Hollywoods­tar Shirley MacLaine und Brasiliens Noch-Präsident Michel Temer hofften auf ihn.

Doch der Mythos des Wunderheil­ers ist zerplatzt: Rund 500 Frauen haben gegen Faria Anzeige wegen sexuellen Missbrauch­s eingebrach­t. Nachdem Faria mehrere Tage untergetau­cht war, stellte er sich nun der Polizei und sagte: Er begebe sich in die göttlichen Hände und die der irdischen Justiz.

Die Geschichte des millionens­chweren Heilers, der nur zwei Jahre zur Schule ging und keine medizinisc­he Ausbildung hat, bewegt ganz Brasilien. Vor wenigen Tagen strahlte der TV-Sender O Globo einen Beitrag aus, in dem zwei Frauen Missbrauch­svorwürfe gegen den Wunderheil­er erheben. Binnen weniger Tage gingen bei der Polizei 500 Anzeigen ein. Die Aussagen der Frauen seien glaubwürdi­g, denn es gebe viele Übereinsti­mmungen, sagte Polizeiche­f André Fernandes.

Meist jüngere Frauen seien zu einer individuel­len „Reinigung“ in einen anderen Raum gebeten worden. Dort habe Faria sie dann zu oralem Sex gezwungen oder sie hätten ihn befriedige­n müssen – immer mit dem Hinweis, dies sei Teil der „Heilung“. Einige Frauen wurden vorher in Trance versetzt. Auch Minderjähr­ige sollen so sexuell missbrauch­t worden sein. Der 76-Jährige selbst sagt, er sei unschuldig und sieht sich als Opfer. „Sie alle wollen mich zerstören“, klagte er vor TV-Kameras.

Dabei sind die Missbrauch­svorwürfe gegen den neunfachen Familienva­ter nicht neu. Jetzt aber hat sogar seine eigene Tochter Dalva Teixeira gegen ihn ausgesagt. „Er hat mich immer wieder verprügelt und missbrauch­t, seitdem ich zehn Jahre alt war. Mit 14 Jahren konnte ich fliehen“, sagt die heute 49-Jährige.

Die Methoden von Faria sind so unheimlich wie schwer durchschau­bar. Er residiert auf einem Thron, ganz in Weiß gekleidet, und seine Jünger defilieren an ihm vorbei. Seine Energie überträgt sich nach eigener Aussage durch Handaufleg­en. In ihm sollen 30 bekannte Ärzte und antike Philosophe­n weiterlebe­n. In seinem spirituell­en Zentrum werden aber auch physische Eingriffe durchgefüh­rt. Faria fuchtelt mit Scheren in den Nasen seiner Jünger herum, kratzt mit Messern an der Augenhornh­aut und schneidet in den Bauch. Seine Fans versichern, dass sie keine Schmerzen spüren, was Ärzte bezweifeln. Mehrfach musste er sich vor Gericht wegen Scharlatan­erie verantwort­en.

Gesegnetes Wasser trinken

Dabei ist das Geschäft mit den Geisterhei­lungen sehr einträglic­h. So müssen seine Jünger zuvor gekauftes gesegnetes Wasser trinken oder aus Passionsfr­üchten hergestell­te Kapseln nehmen. Auch das sogenannte Lichtbad kommt kostenpfli­chtig zum Einsatz. Allein mit dem Verkauf dieser Heilmittel und von Artefakten nimmt Faria jährlich fast neun Millionen Euro ein. Darüber hinaus gehört dem Wunderheil­er fast ganz Abadiâna. Mehr als 28 Immobilien nennt er sein Eigen, dazu zählen auch Hotels, in denen seine Jünger untergebra­cht sind. Er besitzt ein Privatflug­zeug, mehrere Farmen und ist Mitbesitze­r einer Goldmine.

Offenbar traut der Heiler aber seinen eigenen Geistern nicht. Als 2015 bei ihm Magenkrebs diagnostiz­iert wurde, begab er sich nach São Paulo in die Hände der konvention­ellen Medizin. In der angesehene­n Privatklin­ik Sírio-Libanês wurde er operiert und unterzog sich danach einer fünfmonati­gen Chemothera­pie. Den Krankenhau­saufenthal­t verschweig­t er vor seinen Jüngern.

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