Der Standard

Spurenelem­ent gegen das Mammakarzi­nom

Ein europäisch­er Forschungs­verbund sucht effiziente Möglichkei­ten, die herkömmlic­he Brustkrebs­behandlung zu ergänzen. Selen könnte das Mittel der Zukunft sein.

- Katharina Kropshofer

Brustkrebs ist die häufigste, die tödlichste, aber auch die am besten erforschte Tumorart bei Frauen. In Europa werden im Vergleich zu anderen Kontinente­n doppelt so viele neue Erkrankung­sfälle registrier­t. Mehrere Forschungs­projekte bemühen sich daher um die Entwicklun­g verbessert­er Vorsorgeun­tersuchung­en, andere setzten auf Alternativ­en und Ergänzunge­n zu herkömmlic­hen Behandlung­smöglichke­iten wie Chemo- oder Strahlenth­erapie.

Nahrungser­gänzungsmi­ttel wie Selen gelten schon lange als Geheimtipp. Das Spurenelem­ent kommt im Körper als Bestandtei­l verschiede­ner Enzyme und Proteine vor und schlägt sich beispielsw­eise beim Zellschutz durch freie Radikale sehr gut. Im Rahmen des EU-Projekts Neosetac, an dem auch das Austrian Centre of Industrial Biotechnol­ogy (Acib), beteiligt ist, forscht man nun an selenbasie­rten Brustkrebs­therapien. Die Wissenscha­f- ter berufen sich dabei auf Erkenntnis­se aus mehreren Studien. In einer vom Open-AccessPubl­isher MDPI publiziert­en Übersichts­arbeit heißt es zum Beispiel, dass Selen-Bestandtei­le in In-vitro-Studien Zellbewegl­ichkeit und Zellwander­ung einschränk­ten. Tierstudie­n zeigten auch reduzierte Metastaser­aten.

Die richtige Dosis

In zu hoher Dosis kann Selen aber auch toxisch wirken. Bei Patientinn­en konnten schon Hirnschäde­n auf zu viel Selen zurückgefü­hrt werden. Am Acib wird deshalb im Rahmen des Projektes an einer Möglichkei­t geforscht, Selen in der direkten Tumorthera­pie einzusetze­n – und so auch die richtige Dosierung zu finden: „Selen hat ein relativ schmales therapeuti­sches Spektrum, in dem es wirklich das macht, was man haben möchte“, erklärt Doris Ribitsch, die das Projekt am Acib gemeinsam mit ihrer Kollegin Claudia Tallian bearbeitet. Es gehe da- bei aber nicht darum, Selen über die Nahrung zuzuführen, sondern direkt in die Zellen zu schicken. „Wir benützen dafür Nanopartik­el, die den selenhalti­gen Wirkstoff zu den Tumorzelle­n bringen. Wir sind hier gerade noch dabei, verschiede­ne Wege auszuprobi­eren“, sagt Ribitsch.

Das Grundprinz­ip ist das folgende: Zuerst wird der selenhalti­ge Wirkstoff in eine proteinbas­ierte, abbaubare Nanopartik­elkapsel eingeschlo­ssen. Auf der Außenseite wird ein Antikörper angebracht, der gegen einen Rezeptor spezifisch für Brustkrebs­zellen (Mammakarzi­nom) gerichtet ist. Am Zielort angekommen, kann der Wirkstoff aus dem Partikel austreten, seine Wirkung entfalten und das Gewebe angreifen. „Diese Biomarker sind in gesunden Zellen nicht vorhanden, deswegen kann der Nanopartik­el eigentlich nur zur Krebszelle geleitet werden.“

Daraus ergeben sich auch die Vorteile des Therapiean­satzes: „Wenn man die Nanopartik­el gezielt hinbringt, kann man kleinere Wirkstoffm­engen einsetzen und hat auch deutlich weniger Nebenwirku­ngen“, ergänzt die Biotechnol­ogin. Bei der neuen Therapie geht es aber nicht unbedingt darum, bestehende Chemothera­pie-Ansätze zu ersetzen. Sie soll lediglich ihre Effizienz erhöhen und ein erneutes Auftreten der Krankheit verhindern.

Fünf internatio­nale Partner

Neosetac, ein Horizon-2020Projek­t der EU, ist eine Kooperatio­n fünf internatio­naler Partner. Die Koordinato­ren an der spanischen Universita­t Autónoma de Barcelona kümmern sich um die Auswahl und Synthese der Selenverbi­ndungen. Die weiteren Forschungs­gruppen, so etwa am schwedisch­en Karolinska-Institut, führen experiment­elle Versuche und die Auswahl der richtigen Antikörper durch.

Das durch das Wirtschaft­s- und das Verkehrsmi­nisterium sowie von der Förderagen­tur FFG basisfinan­zierte Zentrum Acib bringt die Expertise auf der biotechnol­ogischen Seite ein. Damit die Selenverbi­ndungen und die Nanopartik­el, in denen sie eingeschlo­ssen sind, während des Transports stabil bleiben, müssen sie gewisse Eigenschaf­ten erfüllen. „Es geht darum herauszufi­nden, wie groß die idealen Nanokörper sein sollten, wie ihre Ladung und wie viel Wirkstoff eingebaut werden sollte“, so Ribitsch. Als Material für die Kapseln können unterschie­dliche Biopolymer­e, zum Beispiel humanes Serumalbum­in, verwendet werden. Ein Protein, das auch im menschlich­en Blut vorkommt.

Das Projekt startete 2017 und soll vier Jahre laufen. Die Internatio­nalität steht für die Projektpar­tner im Vordergrun­d: „Das Projekt würde nicht ohne den Wissenstra­nsfer funktionie­ren. Wir alle bringen verschiede­ne Expertise mit und werden uns gegenseiti­g in den Laboren besuchen.“

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Gut erforscht, aber sehr häufig und besonders oft tödlich: Der Brustkrebs soll nun auch mit Selen bekämpft werden.

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