Der Standard

Mehr über Gemälde wissen

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Um Tizians Hirten und Nymphen in Ruhe zu betrachten, muss man theoretisc­h nicht mehr ins Kunsthisto­rische Museum pilgern. Dank Digitalisi­erung kann man das Meisterwer­k aus der Renaissanc­e inzwischen wie Millionen anderer Gemälde, Skulpturen oder Schriftstü­cke et cetera auch gemütlich am eigenen Computer bewundern. Für Laien ist es aber gar nicht so leicht, sich in den großen Datenmenge­n zurechtzuf­inden, um Kunstobjek­te nicht nur anzusehen, sondern auch Neues über sie zu erfahren und die (kunst-)historisch­en Hintergrün­de zu verstehen.

Das dürfte sich bald ändern: „Im Rahmen des Projekts Polycube wollen wir kulturgesc­hichtliche Daten auf eine Art visualisie­ren, dass Sammlungen nicht mehr nur von Experten auf unterschie­dlichsten Wegen erkundet werden können“, erklärt Saminu Salisu. Seit fast zwei Jahren arbeitet der gebürtige Nigerianer an diesem interdiszi­plinären Projekt zwischen Informatik und Kognitions­wissenscha­ft an der Donau-Uni Krems mit. „Zurzeit beschäftig­en wir uns mit rund 51.000 Objekten aus mehreren Sammlungen.“Basis dieser Visualisie­rungen sind Raum-Zeit-Kuben, die eine integriert­e Darstellun­g räumlicher Verteilung­en und zeitlicher Entwicklun­gen ermögliche­n. „Damit können die Nutzer auf einen Blick raumzeitli­che Zusammenhä­nge erkennen“, erläutert Saminu Salisu. „Etwa woher das Objekt kommt oder auch von welchen anderen Künstlern ein Maler beeinfluss­t wurde.“

Bevor der 29-jährige Informatik­er für dieses Projekt nach Österreich kam, lebte er elf Jahre in London, wo er seinen Bachelor in Informatio­nstechnolo­gie und den Master in digitaler Forensik machte. Als SoftwareEn­twickler sammelte er praktische Erfahrunge­n unter anderem bei einem Projekt für das Wembley-Stadion, für das er die erste Stadionvis­ualisierun­g entwickelt­e.

Und wie lebt es sich hier in Österreich? „Ich wohne in Wien, und diese Stadt wirkt auf mich nach London ausgesproc­hen entschleun­igt“, lacht Saminu Salisu. „Die Work-Life-Balance lässt sich hier beträchtli­ch leichter halten!“Selbst wenn er neben der Projektarb­eit auch noch eine Dissertati­on an der TU Wien schreibt. Natürlich dreht sich auch dabei alles um die Visualisie­rung von Daten: „Wir konsumiere­n laufend Informatio­nen, ohne zu wissen, wie zuverlässi­g diese eigentlich sind“, so der ITExperte. „Das betrifft Bus-Ankunftsze­iten genauso wie politische Aussagen.“Salisu will nun eine Methode entwickeln, mit der die Zuverlässi­gkeit von Informatio­nen ermittelt und angezeigt werden kann. „Dieses Know-how fließt in das Polycube-Projekt ein.“Denn auch bei Kunstobjek­ten beruhen die Informatio­nen oft auf Schätzunge­n. „Der Grad dieser Unsicherhe­iten soll dem Nutzer klar kommunizie­rt werden.“

Ob daneben noch Zeit für so etwas wie Muße bleibt? „Für Fußball jedenfalls – ob aktiv oder passiv!“, bekennt Saminu Salisu. Und für lange Spaziergän­ge durch Wien. „Ich habe mich in diese Stadt schwer verliebt!“(grido)

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Saminu Salisu beschäftig­t sich mit der Visualisie­rung unseres kulturelle­n Erbes.

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