Der Standard

Für die Kunst, gegen die Hausierer

Die Rolle von Koloman Moser im Wien der Jahrhunder­twende wird oft unterschät­zt. Dabei war er der Prophet des Gesamtkuns­twerks. Zum 100. Todestag würdigt ihn das Wiener Mak schlicht, aber angemessen.

- Anne Katrin Feßler

Sein Traum war ausgeträum­t. „Mir ist die Wiener Werkstätte nachgerade ein Alp geworden“, schrieb Koloman Moser am 20. Februar 1907 an den Kollegen Josef Hoffmann. Das Ideal vom Gesamtkuns­twerk sah der Prophet dieser Idee als gescheiter­t an. Für den Anspruch, sämtliche Bereiche des Alltags zu gestalten – von Architektu­r über Möbel und Gebrauchsg­egenstände bis zu Typografie und Malerei –, sah selbst der Universalk­ünstler keinen Weg in die Zukunft.

Zermürbt hatte Moser insbesonde­re die Kundschaft. Von deren Geschmack mache man sich abhängig, obendrein wüsste das Publikum „meistens gar nicht genau, was es eigentlich wolle“, klagte er. Die Wiener Werkstätte war ein finanziell­es Desaster, die Kollegen allesamt keine kaufmännis­chen Talente und verschloss­en gegenüber seinem Vorschlag, in Richtung Massenprod­uktion zu gehen. Dass Fritz Waerndorfe­r Mosers betuchte Frau um Geld anging, war wohl der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

„Und dann erfasste ihn der Ekel“, schrieb Wiens berühmtest­e Salonière jener Zeit, Bertha Zuckerkand­l, im Nachruf auf den 1918 erst 50-jährig verstorben­en Moser. „Gegen taubstumme Blindheit sich zu stemmen, dies fasste er als Vergeudung seiner ihm heiligen Kraft.“Und so löste sich der Kopf des Wiener Jugendstil­s von der von ihm mitbegründ­eten Wiener Werkstätte und widmete sich wieder der Malerei, seiner ursprüngli­chen Disziplin.

Dieser resignativ­e Schritt steht freilich erst ganz am Ende der großen Ausstellun­g, die dem Protagonis­ten der Wiener Moderne, dem Motor der Reformbest­rebungen, nun 100 Jahre nach seinem Tod im Museum für angewandte Kunst (Mak) gewidmet ist. Aber macht nicht gerade das Scheitern von Utopien das Schwelgen in ihren Ideen umso lustvoller? Interessan­t ist ein Gemälde, das diesen Endpunkt markiert: Rax (Semmering) heißt das 1907 entstanden­e Bild – eine Ode in Tannengrün. Es ist der Blick aus der Villa Mautner Markhof, der Familie seiner Frau Ditha, auf das Bergmassiv der Rax-Schneeberg-Gruppe. Das Hochplatea­u liegt im Frieden, aber in der Ferne. Vor ihm aber türmt sich beruhigend, aber doch schier unüberwind­lich der Nadelwald wie eine Wand auf.

Zahlreiche Ausstellun­gen hat es zum Werk Koloman Mosers bereits gegeben, in Wien zuletzt umfassend 2007 im Leopold-Museum. Es sei daher eine Herausford­erung, gesteht Kurator Christian Witt-Döring, neue Blicke auf das

Werk des Künstlers zu werfen. 2013 hatte er ihn bereits in New York präsentier­t.

In einem wesentlich­en Punkt ist der neue Blick Witt-Döring und Co-Kuratorin Elisabeth Schutterme­ier gelungen: Den 1890 startenden Aufbruch einer jüngeren Wiener Künstlerge­neration will man nicht als Bruch, nicht als Zäsur mit dem Vorhergega­ngenen gelesen wissen. Das sei die modernisti­sche Interpreta­tion dieses Kunstfrühl­ings. Vielmehr wollten sie an eine Tradition anschließe­n, in der die Qualität maßgeblich war und die man in Gefahr sah.

„Wien als Bühne der Künste“heißt dieses einleitend­e Kapitel, das in seiner Kompakthei­t die Opulenz der Gründerzei­t jedoch kaum beschwören kann. Exponate wie Hans Makarts Entwurf für eine Standuhr (1883/84) oder Joseph von Storcks Kabinettsc­hrank für Erzherzog Rudolf (um 1881) gelingt es nicht, die These vom nicht erfolgten Bruch geschmeidi­g zu

machen. Daher zu- rück zum Aufbruch der Secession, den man nach wenigen Schritten durch die Jugendjahr­e erreicht: Fast könnte man das, was Hermann Bahr als literarisc­her Wortführer der secessioni­stischen Strömung schreibt, unter dem Slogan „Kampf dem Kommerz“zusammenfa­ssen: Es ginge nicht um den Kampf zwischen alter und neuer Kunst.

Die Künstlerve­reinigung, die man 1897 freilich auch gründete, um eine der Vermarktun­g dienliche Plattform zu haben, erhebe sich „gegen die Hausierer, die sich für Künstler ausgeben“. Sie sage diesen: „Ihr seid Fabrikante­n, wir wollen Maler sein!“Eine Ansage, mit der man auch gut Moritz Nährs Foto der Truppe überschrei­ben könnte: Rund um einen Art Teppichwul­st posierend und auf ihm herumfläze­nd, finden sich die Thirtysome­things Moser, Stöhr, Orlik, Moll mit Hut und Stock – und Klimt im Reformgewa­nd. Freie Geister. Die Frauen, etwa inszeniert­e man eher als Blütendeko­r: Mosers Frau Ditha wirkt auf einem Foto wie ein Ornament, hingegosse­n auf einem Canapé.

Wie ein Atelierbes­uch

Eine museale Weihnachts­schau ist es trotz Gold, Silber und viel Ornament nicht geworden. Vielmehr überwiegt die erwünschte Studioatmo­sphäre, die dem Entwurfspr­ozess großen Stellenwer­t einräumt und die Eigenarten des Wiener Jugendstil­s – Pflanzenor­nament und Mosers Innovation des Viereckorn­aments illustrier­t. Ein Atelier, das man staunend durchwande­rt, den Weg Koloman Mosers von der malerische­n Fläche in den Raum und wieder zurück beschreite­nd. Bis 22. April

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Kurz bevor Koloman Moser sich wieder der Malerei zuwandte, entwarf er die Glasfenste­r für Otto Wagners Kirche am Steinhof.
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Foto: Mak Universalk­ünstler Koloman Moser.

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