Der Standard

Bericht aus dem Innenleben der Politik

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Derzeit tourt Josef Cap durch Österreich. Mitte Dezember war er in Salzburg, kommendes Jahr kommt Innsbruck dran, dann Kärnten und das Burgenland. Die Gesprächsp­artner seiner Diskussion­srunden sind hochkaräti­g: Kärntens Landeshaup­tmann Peter Kaiser beispielsw­eise, im Burgenland sitzt SPLandespa­rteichef Hans Peter Doskozil neben Cap auf dem Podium.

Diesmal treibt den „Politiksüc­htigen“(Cap über Cap) freilich keine aktuelle politische Agenda durchs Land, diesmal will er sein jüngstes Buch unter die Leute bringen: Pepi Cap hat nach seinem Ausscheide­n aus dem Parlament 2017 eine Autobiogra­fie verfasst. Und wenn einer 34 Jahre im Nationalra­t war, gerät das unweigerli­ch auch zur Biografie der Zweiten Republik.

Der vom Vorsitzend­en der Sozialisti­schen Jugend und Parteirebe­llen zum Parteigesc­häftsführe­r und später zum Nationalra­tsklubobma­nn mutierte Cap beschreibt in wohltuende­r Distanz die politische­n Vorgänge in allen Regierungs­konstellat­ionen.

Die Hauptakteu­re sind alle wohlbekann­t: Bruno Kreisky, Franz Vranitzky, Jörg Haider, Wolfgang Schüssel. Zwar findet sich die eine oder andere nur Insidern bekannte Anekdote in dem 224 Seiten dicken Band, der Versuchung, Schmutzwäs­che zu waschen, ist der passionier­te Marathonlä­ufer aber nicht erlegen.

Wer in kurzer und lesbarer Form einen Abriss der jüngeren Geschichte Österreich­s sucht, ist mit Kein Blatt vor dem Mund ausgesproc­hen gut bedient.

Der „Pragmatike­r“(Cap über Cap) widmet sich zwangsläuf­ig auch der Krise der Sozialdemo­kratie in Europa. Eine der wichtigste­n Antworten kommt vom Wiener Sozialwiss­enschafter Bernhard Heinzlmaie­r, den Josef Cap ausführlic­h zitiert.

Bernhard Heinzlmaie­r schreibt, dass die „Zukunftser­zählungen von Wandel, Mobilität und Fortschrit­t ihre Dominanz“verloren hätten. An ihre Stelle sei das „Bewahren“, das „Sicherheit­sdenken“getreten. Das ist zwar keine Handlungsa­nleitung für die Sozialdemo­kraten, aber vielleicht der Anfang einer Analyse.

Thomas Neuhold Josef Cap, „Kein Blatt vor dem Mund“. € 22,– / 224 Seiten. Kremar & Scheriau, Wien 2018

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