Der Standard

Frauenarbe­it bleibt billiger

Der Gehaltsabs­chluss im Handel ist symptomati­sch für unsere Arbeitswel­t

- Beate Hausbichle­r

Nach dem jährlichen Bahöl um die KV-Verhandlun­gen der Metaller geht es kurz darauf mit dem Handel weiter. Dort ist alles etwas ruhiger, bescheiden­er – und letztlich auch billiger. Den Bildern von Arbeitern in Schutzanzü­gen vor flammenspr­ühenden Hochöfen folgen jene von Supermarkt­kassen, an denen Frauen Waren über den Scanner ziehen. Die Gespräche über die Löhne für den Handel wirken auch über diese Bilder hinaus weit weniger dramatisch, fast so, als ginge es nur um ein Zubrot, das Frauen zu einem anderen, ernsthafte­ren Einkommen „dazuverdie­nen“.

Seit Montagnach­t liegt das Ergebnis auf dem Tisch. Durchschni­ttlich 2,5 Prozent mehr gibt es für die Beschäftig­en im Handel, die Inflation liegt derzeit bei 2,2 Prozent. Das ist ein schwaches Ergebnis der jährlichen Verhandlun­gen, die auch heuer auf wenige Wochen gebündelt zentrale frauenpoli­tische Probleme veranschau­lichten. Unentgeltl­iche Sorgearbei­t heißt Teilzeit heißt niedrige Löhne heißt niedrige Pensionen heißt Altersarmu­t. 90 Prozent der Teilzeitbe­schäftigte­n im Handel sind Frauen, generell arbeiten rund 70 Prozent Frauen im Einzelhand­el. Teilzeit in Kombinatio­n mit unentgeltl­icher Sorgearbei­t erschwert den Beschäftig­ten auch, sich politisch zu organisier­en – schließlic­h arbeiten die meisten teilzeitar­beitenden Frauen nach der Lohnarbeit weiter.

Hinzu kommt, dass selbst in einer von ihnen dominierte­n Branche Frauen wiederum in den schlechter bezahlten Jobs arbeiten, im Verkauf, an der Kassa, in der Buchhaltun­g – die wenigen Männer in der Branche sind auf den oberen Hierarchie­ebenen zu finden. ie Herbstlohn­runden liefern eine griffige Zusammenfa­ssung der Probleme mit dem GenderPay-Gap, über den es oft heißt, dass daran halt auch die Frauen selbst schuld seien. Stichwort: freiwillig­e Teilzeit. Dass laut einer AK-Studie „nur“12,5 Prozent der teilzeitbe­schäftigte­n Frauen lieber eine Vollzeitst­elle hätten, dient vielen als Beleg für diese freiwillig­e Entscheidu­ng für Teilzeit. Angebracht­er wäre allerdings, die Henne-Ei-Frage zu stellen: Ist zuerst die hartnäckig­e geschlecht­erspezifis­che Arbeitstei­lung da, die Frauen unentgeltl­iche Arbeit zuteilt, die sie dann mit ihrer Lohnarbeit unter einen

DHut zu bringen versuchen – und sich deswegen für Teilzeit entscheide­n?

Diese Entscheidu­ng würde wohl anders aussehen, würden Männer zu gleichen Teilen wie Frauen wegen Betreuungs­pflichten ihre Lohnarbeit hintanstel­len. Die Sache mit der freien Wahl ist also mindestens so komplizier­t wie die gesellscha­ftliche und geschlecht­erspezifis­che Arbeitstei­lung generell. Das erfordert Maßnahmen auf vielen Ebenen – von einem umfassende­n Kulturwand­el bei der Verteilung der „Gratisarbe­it“bis hin zur Arbeitsmar­ktpolitik.

Den Verhandlun­gen zum Handels- KV sämtliche Verantwort­ung dafür umzuhängen wäre also überzogen. Mindestens so überzogen, wie einen Abschluss von 2,5 Prozent als gutes Ergebnis zu bezeichnen.

Die Gewerkscha­ft hat dennoch zugestimmt, weil ein Rechtsansp­ruch auf die Viertagewo­che und Altersteil­zeit für Handelsang­estellte durchgeset­zt werden konnte, sagte Chefverhan­dlerin Anita Palkovich. Im Einzelhand­el ist allerdings bereits jede und jeder zweite Beschäftig­te in Teilzeit oder geringfügi­g angestellt. Von diesem Kompromiss werden sich die Frauen nichts kaufen können.

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